Ökolumne
: Fortschritt trotz Blockade

■ Klimagipfel nützen der Umwelt – auch wenn sie ohne Ergebnis bleiben

Der Verlauf der Klimakonferenz von Buenos Aires hat die Schwächen des Kioto-Protokolls offensichtlich gemacht. Schlupflöcher und Berechnungstricks untergraben die offiziell proklamierten Emissionsminderungsziele, zudem bleibt unsicher, ob der Kongreß der USA den Vertrag je ratifizieren wird. Damit wird nach fast zehn Jahren Klimaverhandlungen deutlich, daß es noch auf Jahre hinaus keine effektive internationale Klimapolitik geben wird, die direkt den Energieverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen in den Industrieländern vermindert.

Trotzdem waren die Klimaverhandlungen nicht sinnlos. Die großen Verhandlungsanlässe wurden von einer fast unüberschaubaren Anzahl von „side-events“ begleitet. Da tummelten sich nicht nur Industrielobbyisten, Atomkraftprediger und obskure Emissions-Broker, sondern diese Anlässe waren immer auch eine Möglichkeit, sich über die neuesten Entwicklungen von erneuerbaren Energien und anderen Alternativtechnologien zu informieren. Die Konferenzen waren nicht nur für den Informationsfluß und das Knüpfen von persönlichen Kontakten nützlich, sondern allein die Tatsache, daß Klimaverhandlungen stattfanden, stärkte die BefürworterInnen der neuen Technologien. Dies war gerade in Entwicklungsländern von großer Bedeutung, wo die Regierungen auf großkotzige Megaprojekte setzten – und deshalb die Pioniere der umweltfreundlichen Energieerzeugung lange nicht ernst genommen wurden. Inzwischen sind dort neue Ansätze erkennbar.

In Indien beispielsweise hat sich allein in den vier Jahren von 1992 bis 1996 die Leistung aus Windkraftwerken verzwanzigfacht. Brasilien startete ein Programm, um Haushaltsgeräte energiesparender zu machen, das den Bau zusätzlicher Kraftwerke überflüssig macht – zu einem Viertel der sonst nötigen Kosten. In entfernten ländlichen Regionen wird anstelle der aufwendigen Verbindung mit Überlandleitungen ans bestehende Stromnetz versucht, den Strom dezentral mit Solaranlagen zu erzeugen.

Allein die Tatsache, daß verhandelt wird, wirkt auch auf die Wirtschaft. Investitionen, etwa im Kraftwerkbereich, haben einen Planungshorizont von vierzig Jahren und mehr. Ein laufender Verhandlungsprozeß kann da auch ohne konkrete Ergebnisse den Ausschlag zugunsten der klimafreundlicheren Technologie geben. Unternehmen wie etwa der Elektro- und Kraftwerkkonzern Asea Brown Boveri (ABB) leisten sich heutzutage ein kleine Global-Change-Forschungsabteilung. Die darf dann beispielsweise ausrechnen, daß die Käufer von ABB-Technologie für 3,3 Prozent des weltweiten Ausstoßes von Kohlendioxid verantwortlich sind. Wären diese ein Staat, so kämen sie nach Deutschland bereits auf Platz sieben der Verschmutzerrangliste.

Damit die Klimaverhandlungen den Einfluß auf langfristige Investitionsentscheide und auf die Narrenfreiheit von Forschungsabteilungen nicht verlieren, sind allerdings Signale notwendig. Kioto war ein solches Signal, eine Häufung von Nichtereignissen wie Buenos Aires könnte die indirekte Wirkung untergraben.

Klimaverhandlungen und internationale Klimapolitik wirken also indirekt, dezentral und kaum wahrnehmbar. Das bedeutet den Abschied von der vereinfachend-optimistischen Politikillusion, globale Probleme ließen sich auf der obersten politischen Ebene der Vereinten Nationen lösen. Regierungsunabhängige Organisationen und Umweltverbände sollten deshalb ihre Fixierung auf den Konferenzzirkus der internationalen Politik überdenken. Es macht keinen Sinn, großflächig „fortschrittliche“ Staaten zu lobbyieren, wenn danach jeder Fortschritt am Widerstand der USA scheitert. Natürlich ist es sinnvoll, daß ein paar NGO-ExpertInnen den Verhandlungsprozeß weiterhin begleiten, ohne deren Fachwissen wären auch viele Delegierte aufgeschmissen. Aber es muß nicht immer gleich die „globale Zivilgesellschaft“ inszeniert werden. Diese Bezeichnung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn sich 300 LobbyistInnen und Paralleldiplomaten in den Gängen der Konferenzgebäude auf den Füßen rumstehen. Der „Top down“-Politikansatz hat ausgedient, jetzt geht es wieder darum, vermehrt lokale Projekte und Initiativen zu pflegen. Damit möglichst viele Veränderungskerne rund um den Globus entstehen, braucht es eine lebendige Umweltbewegung. Andreas Missbach