Weinen streng verboten

■ Nicht so gefährlich, wie er klingt: Snoop Dogg im Docks. Die Polizei war auch dabei

Das schönste an ihm ist seine Frisur. Wie sagen unsere Großmütter doch immer: Lange Haare sind in Ordnung, aber in gepflegte Zöpfchen müssen sie schon gelegt sein. Dazu noch ein Menjou-Bärtchen und die entsprechende textliche Attitüde, fertig ist der größte aller Gangster-Rapper. Aber Snoop Doggs Auftritt am Freitag im Docks war zu sympathisch. Er lächelte zuviel. Seine femininen Tanzbewegungen paßten nicht zu seinen explicit lyrics. Er rappte ohne die verhaltene Aggressivität seiner Alben.

Statt dessen vollführte der Großmeister des G-Funk einen Spagat zwischen Rührseligkeit und Mitmach-Theater. Er ließ seinen alten Freund 2Pac noch einmal zu Wort kommen. Die Sentenzen des Erschossenen kamen vom Band, Snoop Dogg rappte live dazu und bescherte der jubelnden Gemeinde einen geradezu transzendentalen Augenblick. Zwei Finger in die Luft reckend mußten alle rufen „We love you, we miss you“. Allein weinen war streng verboten bei den harten Jungs.

Den größten Teil der Zeit hielt er sich aber mit den üblichen Ritualen auf und forderte das Publikum ermüdend oft auf: „Everybody in the house say: Aw Yeah.“ Nur hin und wieder hörte man das sonore, charakteristische Näseln, das ihn bekanntgemacht hat und das so angenehm und so gefährlich klingt, und dann war klar: Ah ja, jetzt rappt er gar nicht wirklich, jetzt läuft wieder das Playbackband. So ging es dann über die gesamten 45 Minuten seines Auftritts: 40 Prozent eingespielt, 30 Prozent live, 30 Prozent „Aw Yeah“.

Snoop weiß aber auch, was er seinen Fans schuldig ist. Wo denn die ganzen Hanf-Raucher wären, fragte er, und ob man ihm nicht vielleicht einen Joint auf die Bühne reichen könne. Genüßlich paffend – He didn't inhale! – schwor Doggy alle ein: Wenn jetzt die Polizei deswegen komme, würde man sie zusammen schon ordentlich fertigmachen.

Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt die Ordnungshüter bereits in Truppenstärke vor dem Docks postiert. In der Vorhalle hatte ein 15jähriger einen 18jährigen niedergestochen. Und da sie gerade schon mal da waren, sorgten die Beamten auch für einen sogenannten kontrollierten Abgang. Drei von vier Ausgängen blieben geschlossen, durch den verbleibenden quetschte sich das Publikum. Auf dem Spielbudenplatz mußten alle Schwarzen ihre Mützen abnehmen, ob sie denn etwa Drogen darunter versteckten. Taten sie nicht, hatten sie ja bereits alle ihre Päckchen Snoop auf die Bühne geworfen.

Eberhard Spohd