Selbstinszenierung von Avantgarde

■ John Duncan, Christoph Heemann und Andrew Chalk machten im Lagerhaus auf kulturelle Aufklärung

Es war nicht das joviale Schulterklopfen von Rockkonzerten. Schließlich kursiert der Name John Duncan nicht in irgendwelchen Junk-Charts, sondern in den inner circlen der Avantgarde: bei der ars electronica Linz oder dem einen und anderen Museum of contemporary art in coca-cola-country. Es war am Samstag im Lagerhaus also sehr dunkel, als sich eine versprengte Schar versammelte, um sich einem „Konzertbeitrag zur kulturellen Aufklärung“ auszusetzen.

Avantgarde, das ist eine Vorhut. Vielleicht wirkte die Runde auch gar so konspirativ durch ihr (Selbst)Bewußtsein, sich dem argwöhnischen Blick traditionsbewußter SpießbürgerInnen zu entziehen. Bei manchen Dingen will der Mensch eben lieber unter seinesgleichen sein.

Nachdem mensch sich gesetzt hatte und Stille sich ausbreitete, erhob sich das Werk John Duncans zu halbstündiger, dreidimensionaler Existenz. Auf der Bühne: buddhistische Leere, kein Musiker, nirgends. Vogelstimmen erfüllten den in blaues Licht getauchten Raum, um nach ein paar Minuten von dräuenden Klangabstraktionen abgelöst zu werden. Ein dröhnend durchgetretener Basston bildete das Fundament für sich langsam verschiebende Elektronikschlieren. Nicht nur wegen des blauen Lichts dachten schlichtere Gemüter an Unterwasser, bevor wieder die Vöglein ihr Geschrei erhoben und danach wiederum erneut in abstraktere Klänge abzutauchen war. Gar mancher Lagerhausbesucher fühlte sich vermutlich dabei wie jener durchaus aufgeschlossene, durchaus gebildete Mensch aus einer Woody-Allen-Erzählung, der sich vor ein Rätsel gestellt sah, als er eine bestimmte Art von Kultur (in seinem Fall die Pantomime) rezipieren soll.

Doch die versprengte Schar klatschte. Gespräche kreisten um seltene Schallplatten, wer wo wieviel für eine Laibach-Box mit leichten Pressfehlern bezahlt hat, wer seit wievielen Jahren eine nur in einer Auflage von 100 Exemplaren gepreßte Schallplatte sucht. Und dem einen oder anderen kam das Wort 'Nerd' in den Sinn.

Schon bald kam dann der zweite Teil der kulturellen Aufklärung. Dieses Mal wurde auf der Bühne durchaus agiert. Doch das sollte den Blicken der ZuschauerInnen verborgen bleiben. Deshalb bekam vorher auch ein jedes ein schwarzes Tuch vor die Augen gebunden, durch das dann nur ein heller Punkt zu sehen war. Dieser wanderte an der Decke des Raumes entlang.

Zu hören war wieder amorph bis changierendes Geräusch, dröhnend durch ein Rohr gespült, Regenrauschen, mal zurückgefahren, mal fast lärmend losbrechend. Die meisten schummelten übrigens, schoben die Augenbinde höher, um einen Blick auf die Ausführenden zu werfen. Doch die taten nicht viel mehr als auf einem Tisch zu stehen und an einer Gitarre und einem elektronischen Gerät zu werkeln. Außerdem war es die meiste Zeit sowieso dunkel. Erst gegen Ende wurden sacht die Lichter hochgefahren. Etwas Aufregendes zu sehen war auch dann nicht.

Auch dieses Stück wurde anerkennend beklatscht. Was blieb, war die Frage, wohin diese Vorhut denn eigentlich führen will. Schon zu alt, oder noch nicht erwachsen genug? Ein zeitaufwendiges Verfahren ist die Rezeption dieser fortschrittlichen Kunst auf jeden Fall. Verständlich, daß die meisten Samstagnachtschwärmer anderes zu tun haben, als halbstündigen Klanglandschaften ihre strapazierte Aufmerksamkeit zu widmen, findet ein schlichtes Gemüt. A.S.