Wolken über dem Nordmeer

Eine Welt aus Licht und Schatten, in der Träume wachsen wie Gras und die Weite menschenleer ist. Die Galerie imago fotokunst zeigt Fotografien aus Island  ■ Von Andreas Hergeth

Ein schönes, knalliges Rot: Fische mit weit aufgerissenem Maul, ganz dicht herangezoomt. Ein Stilleben. Gar nicht typisch für die Insel „aus Feuer und Eis im Nordmeer“, wie Reiseveranstalter über Island gerne texten. Ralf Schneberger zeigt auch andere Bilder. Phantastische Eisablagerungen, die seltsam fremde Strukturen bilden, wie man sie in einem schnöden deutschen Winter nie sehen wird. Sie erinnern an die kunstvoll in Form gebrachten Eistorten aus der Tiefkühltruhe.

„Island“ – unter diesem Titel stellt die Galerie imago fotokunst Fotografien aus, die im vergangenen Sommer während eines 14tägigen Workshops auf der großen Insel entstanden. Galerist und Fotograf Mathias Richter führte den Troß von zwölf Hobbyfotografen durch den Süden der Insel. Jeder brachte andere Fotoeindrücke mit nach Hause.

Da sind zunächst 20 schwarzweiße Arbeiten von Mathias Richter selbst. Berge und Schluchten, Steine und Wasserläufe, und immer wieder Nebelschwaden sind zu sehen. Die pure Weite. Menschenleer. So ist Island. Ganze 270.000 Menschen leben auf über 100.000 Quadratkilometern. Viel Platz für Natur, für Mythen und Märchen.

Auf einem Foto sehen die Umrisse zweier steinerner Sulen dann auch fast wie Fabelwesen aus. In einer Höhle glänzen schwarze Steine an der Decke, der Rest liegt im diesigen Halbdunkel. So, als würde jeden Moment eine Elfe um die Ecke flattern. Auch Mathias Richter hat keine Elfenwesen gesehen, geschweige denn ablichten können. Dafür hat er aber schöne Fotos mitgebracht, die neben den isländischen Landstrichen viele Wolken eingefangen haben. Denn gerade die „Himmellandschaften“, wie der Fotograf die Wolken nennt, sind „erlebenswert“.

„In Island hat man alle vier Jahreszeiten an einem Tag. Alle paar Minuten kann das Wetter wechseln“, schwärmt Mathias Richter. Vielleicht ist es der damit verbundene stete Wechsel des Tageslichts, der das Land für Fotografen so interessant macht. So wirken viele Bilder teils gestochen scharf, an irgendeiner Stelle wird es jedoch immer nebulös, bricht sich das Licht, entstehen Traumlandschaften. Die Trennlinien zwischen Himmel und Erde verschwimmen.

So auch bei Andreas Mundt, der zwei farbige Fotos von einem an die Mondoberfläche erinnernden Flußbett zeigt. Das Wasser hat sich schon zurückgezogen, die Bilder entstanden im kurzen isländischen Sommer. Zurück blieben nasse Erde, Schlamm und kleine Lachen. Alles schimmert seltsam beige. Zwischen beiden Arbeiten ist ein Foto plaziert, das quasi Seltenheitswert hat: Gleich 50 Isländer auf einmal nehmen ein Bad in einem Fluß, eingebettet in das satteste Grün, das man sich vorstellen kann.

Keine Menschen, aber immerhin deren Behausungen haben Susanne Kurzmann und Thomas Vollmer fotografiert. Die Küche sieht mit dem Kohlenherd hübsch altmodisch aus. Dafür hängt neben dem Waschbecken auf einem anderen Foto ein moderner Seifenspender. Die vielleicht schönste Arbeit kommt von Uta Olschewski: am unteren Bildrand ein Gebirgsrücken, darüber unendlich weit dunkle Wolken. Vier Menschen stehen auf dem Berg, winzig klein, nicht größer als Ameisen. Kein anderes Foto verdeutlicht intensiver die Relationen von Größe, Weite, Natur und Menschsein. Neben den sieben Farbfotos von Jan Scheffler, der menschenleere Berge, Täler, eben Island pur zeigt, hängen ein paar Zeilen: „Nur einen Augenblick glauben, das Ganze zu fühlen, und doch im gleichen Augenblick wieder ganz allein zu sein.“ Bleibt nur eine Frage: Wieso ist auf keinem der Fotos nicht wenigstens einmal Wolfgang Müller zu sehen?

Bis 29. November, Di–Sa 12–19, So 12–18 Uhr, Galerie imago fotokunst, Sophienstraße 32, Mitte