Quartiersmanager gegen den sozialen Niedergang

■ In den Jahren des Baubooms war Stadtplanung nur eine Frage der Architektur. Doch die wachsenden Probleme setzen die „soziale Stadtentwicklung“ wieder auf die Tagesordnung

Neukölln Nord: „Kinder von Kampfhunden bedroht“. Sparrplatz in Wedding: „Die Nutzung öffentlicher Räume ist durch Alkoholiker dominiert.“ Sechs solche „problembehafteten Gebiete“ entdeckte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in ihrem Gutachten „Sozialorientierte Stadtentwicklung“. Über diese benachteiligten Gebiete debattierte das Stadtforum auf seiner Sitzung am Wochenende.

Die Betrachtung der Stadt als soziales Gefüge gewinnt nach Jahren des Disputs um bauliche Strukturen wieder an Bedeutung. Jetzt konkurrieren die Senatsverwaltungen nicht mehr allein um Gestaltungssatzungen und Traufhöhen. Sie reagieren auch auf die zunehmenden Schwierigkeiten in den „Problemgebieten“. Dazu zählen der Beusselkiez in Moabit, die Soldiner Straße und der Sparrplatz in Wedding, SO 36 in Kreuzberg, Schöneberg Nord und Neukölln Nord.

Als Vorbilder gelten Strategien aus den Niederlanden, aus London und New York. Dort blickt man auf 15 Jahre Erfahrungen zurück, in denen die Bewohner der Bronx ihr Quartier vom Alptraum zu einem Viertel mit neuen Chancen entwickeln konnten. In Berlin will man ähnliche Erfolge durch die Einrichtung eines „Quartiersmanagements“ erreichen. Quartiersmanager sollen Konflikte moderieren, Ideen durchsetzen und ökonomisch handeln können. Überwiegend bewerben werden sich Gruppen und Vereine, die seit langem soziale Entwicklung in den Stadtteilen betreuen, zuletzt weitgehend unbeachtet.

Die Arbeit dieser Gruppen werde, so Dietrich Flicke von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, durch ein neues Quartiersmanagement nicht in Frage gestellt. Allerdings wolle man ihre Arbeit bündeln und die Erfolge kontrollieren. „Die heutigen Probleme sind mit den traditionellen Mitteln der behutsamen Stadterneuerung nicht zu lösen“, so Flicke. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr Mieterberatung und Sanierung der Gebäudesubstanz.

Vor 20 Jahren setzte Berlin mit den „Strategien für Kreuzberg“ Zeichen zum Thema soziale Stadt. Auch wenn mancher Teilnehmer des Stadtforums an die Zeiten praktizierter Stadtsoziologie anknüpfen möchte, hat die Ausgangslage inzwischen verändert: Arbeitslosigkeit von über zwanzig Prozent in den „Problemgebieten“ und der Wegzug einkommensstärkerer Bewohnergruppen in die neuen Vorstädte kennzeichnen die heutige Lage. Indem Stadtentwicklungssenator Strieder nun das Thema soziale Stadt vom Stadtforum besetzen ließ, machte er deutlich, daß die SPD dieses Politikfeld dem Koalitionspartner nicht alleine überlassen will. Zugleich ist die neue Betonung der Selbsthilfe eine Folge aus dem Rückzug des Staates.

Die internationalen Vorbilder setzen nicht allein auf die lokale Ökonomie. Der Empowerment- Strategie für die Bronx liegt ein Bundesgesetz zugrunde, das Investitionen in Problemgebiete mit Finanzhilfen anregt. Ziel ist die Vollbeschäftigung in zehn Jahren. Auf ein solch keynesianisches Programm will sich der Berliner Senat nicht festlegen. Doch auch er hofft auf Unterstützung durch ein angekündigtes Bundesprogramm zum Thema soziale Stadt. Thies Schröder