Press-Schlag: Neue ominöse Erkenntnisse
■ Rainer Bonhof kann in ganzen Sätzen reden
Das Schöne am Fußball ist, daß man nie auslernt. Daß er seine Mythen zelebriert, neue schafft, alte unkrempelt, die Allgemeingut sind, welches wiederum... Mit anderen Worten: Alles ist wie immer anders. Genauer: Alles bleibt anders und wird doch immer gleich. Manchmal gleicher und anderser. Das heißt dann „Fußballs Welt“.
Etwa die Sache mit dem „ominösen Punkt“. Der lag bisher schon immer und genau abgemessen elf Meter mittig von der Torlinie entfernt. Und jetzt sagt Wolfsburgs Holger Ballwanz: „Wir mußten über den ominösen Punkt hinaus, um den inneren Schweinehund zu überwinden.“ Haben Spieler von heute Elfmeterpunkte in sich?
Wenn, wo? Wade? Meniskus? Großhirn? Oder gilt das allein für Wolfgangwolfsburger, weshalb sie nur noch gewinnen?
Tagelang wurde die Spott-Offensive gegen Rainer Bonhof vorbereitet, seine aus gemeinsamen stillen Tagen mit Berti berüchtigten Halbzeitanalysen (“Rainers Welt“) ziseliert. Und dann? Ein glückliches Unentschieden und wir staunen: Bonhof kann in ganzen Sätzen reden. Und er lächelt. Mehrfach. Und sogar richtig sympathisch! Was erst, wenn die Borussia gewinnt – falls das mal passieren sollte?
Ach, da fällt doch auf: Gladbach früher, dieser beglückende, fröhliche Fußball. Halt der Borussia- Mythos! Und was ist aus seinen großen Protagonisten geworden? Lauter sauertöpfische und freudefreie Griesgrame: Vogts, Netzer, Heynckes und Bonhof bislang. Lienen. Dazu Winfried Schäfer, der einen neuen, modisch kühnen Schlips-Daunenjacken-Trend (“Winnies Welt“) kreieren will, dessen Präsident Mayer-Vorderlader (“MVs Weltle“) aber schon beim KSC-Kollegen telefonisch geheimanfragt, wie man diesen Kerl am besten loswird.
Und dann: Julio César. Der kommt aus Brasilien in den kalten Ruhrpott zurück, weil er „Heimweh nach Dortmund“ habe. Der BVB nimmt ihn mit überraschender Begründung: „Weil man sich nicht wehren kann, wenn einer wie er zurück will.“ So Michael Meier, der Manager. Bislang dachten wir, Spieler verließen einen Verein, sobald sie Lust dazu verspürten bzw. das Handgeld schwarz genug war.
Langfristige Verträge haben schließlich seit Bosman nur noch den Grund, kurzfristig aufgelöst zu werden bzw. Ablösesummen zu ermöglichen bzw. hochzutreiben bzw. sich gegenseitig zu erpressen bzw. unterderhand gemeinsame Sache zu machen und alles dann mit verlogener Miene als traurige Unausweichlichkeit zu verkünden (“Geschäfts-Welt“). Jetzt aber sagen Kicker: Hallöchen, bom dia amigos, da bin ich wieder, gebt mir contrato e pelota, und sie kriegen Vertrag und Pille. Wenn das jeder macht! Dortmund hat jetzt fast hundert Mann im Kader, wird Zeit, da mal ein paar Mann zu Geld zu machen. Oder braucht man zur bevorstehenden AG-Gründung ein Spielerstammkapital von 100.000 Mann? Bernd Müllender
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen