Vorsicht, netter Herr Schäfer

Mit dem 0:2 beim FC Bayern München hat der auffällig freundliche neue Trainer den vormaligen Spitzenklub VfB Stuttgart bereits im gesicherten Mittelmaß etabliert  ■ Aus München Benedikt Voigt

Der Herr Schäfer ist momentan ein besonders freundlicher Mensch. Während Kollege Ottmar Hitzfeld die Pressekonferenzzone im Münchner Olympiastadion bereits seit 20 Minuten verlassen hat, steht der Trainer des VfB Stuttgart noch immer inmitten schwäbischer Pressevertreter. Und flüstert, als ob es sich um eine Verschwörung handele.

Sogar um die Probleme von Journalisten kümmert er sich. Was, der SWR hat noch keinen sonntäglichen Studiogast vom VfB Stuttgart? Er könne leider nicht, sagt Winfried Schäfer (48), „aber nehmt doch den Timo Rost“. Schäfer hält den Mann vom öffentlich- rechtlichen Fernsehen offensichtlich für hilflos, denn er empfiehlt noch: „Geht doch mal im Bus gucken.“

Vorsicht, Winfried Schäfer. Nettsein hilft beim VfB Stuttgart nicht weiter. Ihrem Vorgänger, dem „netten Herrn Löw“, handelte dies die Kündigung ein. Und Joachim Löw schaffte immerhin die Qualifikation für den Uefa- Cup und stand gegen Chelsea im Endspiel des europäischen Pokalsiegerwettbewerbs.

Schäfer hingegen untermauerte am Samstag mit dem VfB Stuttgart durch ein 0:2 (0:0) beim Branchenführer FC Bayern München den 10. Platz in der Bundesliga. In der dritten Runde des Uefa-Cups fehlen die Schwaben bereits. „Eine gute Leistung“ sah Schäfer immerhin beim hart umkämpften Süd- Derby, weshalb er sagte: „Schade, daß wir damit nichts holen konnten.“

Tatsächlich aber sah der VfB Stuttgart in München nur so gut aus, weil der FC Bayern sich wie schon im Derby gegen den TSV 1860 München spielerisch zurück- hielt. Was Schäfer zu denken geben könnte, ist jedoch, daß die Münchner sein Team auf die rustikale Art niederrangen. Der entscheidende Treffer entsprang dem wahrscheinlich ersten Geistesblitz von Stefan Effenberg, der einen Paß von Elber mit dem Oberschenkel mitnahm, Thiam ins Leere grätschen ließ und mit links ins Netz ballerte (47.).

Ansonsten bestimmten Kampf und Emotionen das Süd-Derby, das der VfB Stuttgart zuletzt 1994 gewann. Die Aufregung schürte Schiedsrichter Jürgen Jansen zusätzlich, indem er einen regulären Treffer von Elber wegen vermeindlichem Abseits nicht wertete und einen Strafstoß übersah, als Timo Rost ungeschickt Giovane Elber zu Boden riß.

„Das 1:0 war entscheidend“, ärgerte sich Schäfer im nachhinein. Beinahe wäre Stuttgart sogar durch einen Schuß von Bobic in Führung gegangen, doch Torwart Kahn lenkte den Ball mit einem sehenswerten Reflex zur Ecke (24.). Der Stuttgarter Torjäger soll auf der Einkaufsliste des FC Bayern ganz oben stehen. Trainer Hitzfeld dementierte jedoch: „Es gab keine Gespräche mit ihm.“ Angesichts der Konkurrenz von Jancker, Salihamidzic, Elber, Neu-Nationalspieler Zickler und 2:0-Torschützen Ali Daei sagt Schäfer: „Das kann ich mir nicht vorstellen; der Fredie ist ein Typ, der spielen will.“

So einer ist Franz Wohlfahrt auch. Gegen Bayern durfte der österreichische Torwart des VfB erneut seinen Beruf ausüben, weil Konkurrent Marc Ziegler weiter verletzt ist. Sein Privatduell gegen Giovane Elber, das schon nach 40 Sekunden mit einem Zusammen- prall der beiden begann, entschied der Torsteher eindrucksvoll für sich. Dreimal erschien der Brasilianer vor Wohlfahrt, dreimal wehrte der Österreicher aufsehenerregend ab. „Er hat ein überragendes Spiel gemacht“, urteilte Schäfer. Elber mußte sich frustriert auf das Vorbereiten beider Treffer beschränken.

Wohlfahrt (34) rechnet sich aus, bis zur Winterpause die erste Wahl auf der Torwartposition zu bleiben. „Ich hatte ein Angebot aus der Zweiten Liga“, sagt er, „aber das ist passé, weil der Klub mich sofort haben wollte“. Der VfB will ihn erst in der Winterpause freigeben. Schäfer spricht sich ohnehin längst nicht mehr eindeutig für Ziegler aus: „Ich werde mich erst entscheiden, wenn es soweit ist.“

Wohlfahrt und Bobic hoffen jetzt „auf einen Lauf“. Doch dafür sieht es nicht gut aus, denn die Zeiten, als man einer Ansammlung von drei schwäbischen Kickern das Prädikat „magisch“ verleihen konnte, sind vorbei. Die Stuttgarter sind im Mittelmaß angekommen. Das weiß auch Schäfer. Zwar lobte der Trainer Rost und Lisztes („Solche Talente muß man hegen und pflegen“), dennoch wollte er gestern auf einem europäischen Fußballfeld „ein bißchen gucken“. Der neue Mann plant für die Zukunft. Er sagt: „Der Fußball geht in Stuttgart auch nach dieser Saison weiter.“ Die Frage ist bloß: Mit Winfried Schäfer?

Bayern München: Kahn – Matthäus (78. Linke) – Babbel, Kuffour – Strunz, Effenberg (67. Fink), Jeremies, Lizarazu – Basler (Salihamidzic), Daei, Elber

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Verlaat – Thiam, Berthold, Schneider (61. Poschner) – Lisztes, Soldo, Rost (72. Ristic), Balakow – Bobic, Akpoborie

Zuschauer: 63.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Effenberg (48.), 2:0 Daei (90.)