Die alte Schule ist wieder im Haus

■ Von wegen HipHop-Superstardom: Snoop Dogg präsentiert sich in der Berliner Arena als realkeepender HipHop-Junge von nebenan

Es muß wohl am Musikfernsehen liegen: Stellt man sich eine HipHop-Show vor, denkt man an einen Auftritt von Brandy & Monica, an einen Puff Daddy, der im Designeranzug einen auf Robert Plant macht, oder an Pras von den Fugees, der kürzlich bei den MTV- Awards in Mailand in sehr gelacktem Rockeroutfit Puff Daddy nacheiferte. Natürlich liegt es auch an den Sounds: an der erfolgreich vollzogenenen Fusion von HipHop und R & B; und an dem stoischen Recyclen von Achtziger- Jahre-Hits, das jeden noch so durchschnittlichen Rapper in die Charts bringt. HipHop in den späten Neunzigern jedenfalls, so wie er uns hauptsächlich von Bildschirmoberflächen, aus Radiogeräten und von CD-Covers begegnet, ist meilenweit von der vielbeschworenen „Straße“ entfernt, der ist schick, geschmackvoll und Pop.

Bei der Show von Snoop Doggy Dogg in der Berliner Arena sieht das alles schon auf den ersten Eindruck völlig anders aus: Nüchternes, zugiges Fabrikhallen-Ambiente, ein Publikum, das sich aus den Homeboys und Homegirls Berliner Randbezirke wie Reinickendorf, Rudow oder Lichterfelde zusammensetzt (schwer angesagt: weiße Plateauschuhe ohne Absätze), eine Bühne, die alles andere als ausgestattet oder ausgeleuchtet ist. Ahnt man schon in dieser Umgebung, was da auf einen zukommen wird, so bestätigt Snoop Doggy Dogg das bei seinem Erscheinen: Die alte Schule ist wieder im Haus.

Diese Show wird eine reine HipHop-Show, mit Mics, Plattenspielern, Beatbox, und sonst nichts. Snoop, gekleidet wie ein HipHop- Junge von nebenan, mit schwarzer Mütze, Army-Jacke, beiger Lugz- Hose und schwarzen Shirt mit 98er-Aufdruck, kommt mit zwei anderen Rappern und einem DJ auf die Bühne, begrüßt das Publikum und beginnt unvermittelt mit „Murder Was The Case“, einem seiner frühen Hits. Ein schmuckloser, unprätentiöser Auftritt, der insofern überrascht, als daß es Snoop Doggy Dogg war, der zusammen mit seinem Meister und Produzenten Dr. Dre in den frühen Neunzigern zu den ersten wirklich großen Popstars des HipHops gehörte: Snoops „Doggystyle“ war ein Album, das mit Beats, Raps und Gesängen elegant die Popkurven nahm und ein Publikum für HipHop interessierte, das vorher davon noch nie gehört hatte und plötzlich ohne zu stottern von der „G-Funk-Ära“ sprach.

Mittlerweile ist Snoop Dogg, so heißt er nämlich jetzt, bei Master P untergekommen, einem millionenschweren, aber von jeder großen Plattenfirma unabhängigen Rapper und HipHop-Unternehmer. Zwar beklagte sich Snoop seinerzeit, immer nur im Schatten anderer zu stehen, doch bei Master P und seinem Label „No Limit“ posiert er auf dem Cover seines aktuellen Albums, wie es scheint klaglos, als „No-Limit-Soldier“.

Und Kaderdisziplin herrscht auch auch bei diesem Auftritt vor: Denn Master P hat Snoop Dogg eine ganze Reihe von Rappern aus dem eigenen Stall mitgegeben. Irgendwann stehen in der Arena mindestens zehn Rapper (keine Frau, versteht sich) auf der Bühne, mit oder ohne Mikro, tänzelnd oder einfach so, um zu gucken. Wer hier wen featuret, weiß man im Laufe der Show bald nicht mehr, Stücke wie „Snoop's Upside Ya Head“ oder „Gin & Juice“ gehen im allgemeinen Getummel ziemlich unter.

Und so wie Snoop die Westcoast noch einmal abfeiert, des toten Tupacs gedenkt mit Song und Stoffporträt, das er vor den DJ- Pult hängt, wirkt er letzlich wie ein Anachronist aus vormodernen und vorpuffdaddyisierten HipHop-Zeiten. Die wirklich große Show machen mittlerweile andere. Doch einem wie ihm glaubt man nach so einem Auftritt das Gerede von „Keep It Real“ oder „Street- Sein“ viel eher als der gesamten Fugees-Family. Gerrit Bartels

Snoop Dogg: 16. 11. Köln, 17. 11. Ludwigshafen, 18. 11. Stuttgart, 19. 11. München