■ Querspalte
: Freiheit, Gleichheit, Kapitalflucht

Zöllner an britischen Flughäfen beobachten ein seltsames Phänomen: Reisende aus Deutschland entsteigen der Business-Class, streichen den Zweireiher glatt, stellen den Aktenkoffer ab, sinken in die Knie und küssen britischen Boden. Mit Tränen in den Augen erheben sie sich, blicken in die englische Sonne und murmeln: „Frei! Endlich frei!“

Die Wirtschaftsflüchtlinge kommen aus einem Land, in dem unternehmerische Freiheit soviel zählt wie in El Salvador – und das nicht erst seit Rot-Grün in Bonn den real existierenden Sozialismus ausgerufen hat. Wieder einmal erhebt die Unfreiheit ihr Haupt, warnt das kanadische Fraser-Institut gemeinsam mit dem Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung. In ihrer Liste rangiert Deutschland auf Platz 17. Nicht wirklich frei sind auch die anderen EU-Länder, stellt uns eine Weltkarte der „wirtschaftlichen Freiheit 1997“ dar, die das Menschenrechtsorgan Handelsblatt druckt – immer im Kampf für die Freiheit des Gleichdenkenden. Bereits in Portugal und Island beginnt der staatliche Terror, weil das Kapital sich nicht alle Freiheiten nehmen kann.

Noch düsterer sieht es in der weiten Welt aus: Rußland wie früher ein riesiges Gefängnis, Indien und China die überfülltesten Knäste der Welt, fast das gesamte Afrika ein Kontinent, in dem das Kapital mit bloßen Füßen getreten wird. Vor lauter Unfreiheit gar nicht mehr faßbar und deshalb weiße Flecken auf der Weltkarte sind etwa Weiß(sic!)rußland, Kuba und Grönland, wo gerade die Steuervorteile für Zweit-Iglus gestrichen wurden. Ganz oben aber stehen Hongkong, wo man lieber eine Firma als eine Partei gründet, und Singapur, wo die Freiheit so groß ist, daß die Menschen mit Freuden 500 Singapur-Dollar Strafe für einen ausgespuckten Kaugummi zahlen. Es folgen Neuseeland, Großbritannien, die USA. Die Farben der Grafik verwirren jedoch: Die Welt ist selbst für Investoren nicht schwarzweiß, sondern voller Grautöne, je dunkler, desto freier. Und die Signatur für völlige Freiheit der Kapitalisten ist: rot. Bernhard Pötter