"Mehmet" landet in der Fremde

■ Der 14jährige, in München geborene Junge ist nach Istanbul abgeschoben worden. Die türkischen Behörden sind ratlos, denn seine Verwandten zeigen überhaupt kein Interesse an ihm

Istanbul/Berlin (AFP/taz) – Der 14jährige Straftäter „Mehmet“ ist am Samstag in die Türkei abgeschoben worden. Doch weder die türkischen Behörden noch der in Deutschland aufgewachsene Junge selbst wußten, was nun in Istanbul aus ihm werden soll.

Nach seiner Ankunft wurde „Mehmet“ sofort von türkischen Polizisten zum Verhör geführt. Nach mehrstündigen Befragungen wurde er am Samstag abend übergangsweise in ein Heim für Straßenkinder gebracht. Vergeblich hatte die Polizei zuvor versucht, die Verwandten für den Jungen zu interessieren. Ein Onkel lebt eine Autostunde von Istanbul entfernt. Er wollte „Mehmet“ offenbar nicht aufnehmen. Dafür holten ihn später Reporter der Bild-Zeitung ab, um in einem Hotel Interviews zu führen. Anscheinend übernachtete „Mehmet“ auch in dem Hotel. Was mit dem Jungen weiterhin geschehen soll, war gestern unklar.

Der 14jährige, der von seiner Freundin begleitet wurde, war mit drei Bundesgrenzschutzbeamten von München abgeflogen – ohne seine Eltern. Zahlreiche deutsche und türkische Journalisten saßen im Flugzeug. Vertreter des deutschen Konsulats in Istanbul erwarteten „Mehmet“ bei seiner Ankunft am Flughafen.

„Mehmet“ hatte nach Angaben des bayerischen Innenministeriums zufolge vom türkischen Generalkonsulat eigens einen neuen Paß ausgestellt bekommen, nachdem die Eltern vor einigen Wochen seinen Paß hatten ungültig stempeln lassen. Sie wollten damit die Abschiebung verhindern.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Bündnisgrüne) kritisierte die bayerischen Behörden. Es gehe nicht an, „Jugendkriminalität, die in unserem Land entstanden ist, mit Abschieben zu bekämpfen“, sagte Beck. Sie fürchte, daß „eine solche Politik des billigen Populismus die verbreiteten Vorurteile gegen Mitbürger ausländischer Herkunft“ stärke. Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Innenpolitiker Wilfried Penner. Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident, verteidigte die Abschiebung. Es sei keine andere Entscheidung möglich gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Freitag den Weg für die Abschiebung freigemacht. Der aus Datenschutzgründen „Mehmet“ genannte Türke hatte schon als strafunmündiges Kind über 60 Straftaten und im Juli als 14jähriger erneut einen Raubüberfall begangen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte die Nichtverlängerung von „Mehmets“ zuvor abgelaufener Aufenthaltserlaubnis gebilligt und zur Begründung auf das „Gefährdungspotential“ verwiesen, das von dem Jungen ausgehe. löw