Analyse
: Seselj unerwünscht

■ Die SFOR weist radikalen Belgrader Politiker aus Bosnien aus

Der serbische Extremistenführer Vojislav Šešelj ist in Bosnien-Herzegowina zur Persona non grata erklärt worden. Zur Begründung teilte das Büro des Hohen Repräsentanten Carlos Westendorp am Samstag in Sarajevo mit, die Aktivitäten und Äußerungen Šešeljs ließen darauf schließen, daß „seine Anwesenheit in Bosnien-Herzegowina die Umsetzung des Daytoner Friedenabkommens behindern“ würde. Um Druck auszuüben, besetzte die internationale Friedenstruppe SFOR das Hotel Bosna in Banja Luka, wo sich der Vizepräsident der jugoslawischen Teilrepublik Serbien aufhielt. Šešelj verließ unter Protest das Land.

Mit dieser Entscheidung hat sich der schwelende Konflikt zwischen den internationalen Organisationen und der Führung der bosnischen Serbenrepublik unter dem im September gewählten Präsident Nikolas Poplasen, einem Parteifreund Šešeljs, verschärft. Wenn Poplasen sich weiter bemüht, eine neue Regierung aus den rechten und radikalen Kräften der Serben zu bilden, drohen die internationalen Organisationen damit, der Republika Srpska die finanzielle Unterstützung zu entziehen. Damit hält Westendorp an der Strategie fest, mit „Zuckerbrot und Peitsche“ die Umsetzung des Abkommens von Dayton zu erreichen. Das Kalkül ist, Poplasen mit dem Entzug der Finanzmittel dazu zu zwingen, die bisher tätige, reformorientierte Regierung unter Milorad Dodik wieder einzusetzen. Da diese Regierung sich zudem auf die zweitstärkste Partei in der Republika Srpska stützen müßte, die von den muslimischen Vertriebenen in das Parlament geschickt wurde, erhoffen sich die internationalen Organisationen, daß endlich auch der serbische Teilstaat für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen geöffnet wird.

Ob jedoch diese Strategie erfolgreich sein wird, ist noch nicht ausgemacht. Poplasen konnte nämlich gerade deshalb die Wahlen gewinnen, weil er betonte, er trete für eine „Regierung der Serben“ ein. Wie alle serbischen Radikalen hat er für die „ethnische Säuberung“ der von serbischen Truppen eroberten Gebiete in Bosnien gekämpft. Und er behauptet, er werde dies auch weiter tun, selbst wenn die finanziellen Zuwendungen des Auslands entfielen. Jetzt stellt sich heraus, daß es ein Fehler war, Poplasen zu den Wahlen zuzulassen. Alle Warnungen, Poplasen sei ein gefährlicher rechtsradikaler Extremist, der die Umsetzung von Dayton ablehnt, wurden von den Repräsentanten der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) und von Westendorp selbst überhört. Daß die internationalen Institutionen jetzt auf Konfrontationskurs gehen müssen, haben sie sich angesichts ihrer laschen Haltung vor den Wahlen selbst zuzuschreiben, erklären Kritiker im Büro des Hohen Repräsentanten. Erich Rathfelder