Das Viertel entdeckt die saubere Stadt

■ Im Viertel ist jetzt ein neuer Multi-Dienstleister gegen Schmutz und Dreck aktiv / Der „Quartier-Service“ ist allerdings sozialverträglich und politisch korrekt

Herr Butorin mag keine „Flaschen und keinen Dreck, der irgendwo auf der Straße liegt“. Aber er hilft Leuten gerne beim Aufräumen – und freut sich, wenn sie dann „Vielen Dank“ sagen. Damit ist Herr Butorin genau der richtige Mann für eine neue signal-orange-grün-gekleidete Truppe, die jetzt im Viertel ihre Arbeit begonnen hat: Sechs Männer stehen dort seit einigen Tagen auf Abruf bereit – um das Viertel gemeinsam mit seinen Bewohnern „lebendig und sauber“ zu machen.

Allerdings keineswegs so graffiti- und wilde-Plakate-rein, wie die CDU-Kampagne „Aktion saubere Stadt“ derzeit die City beackert – mit Putztrupps, die durch die Grünanlagen streifen. „Wir wollen keine Sträflingskolonnen, die noch eine Kugel hinter sich her schleifen“, beteuert Ortsamtsleiter Robert Bücking – aber doch irgendwie einen Trupp, der anpackt. Denn auf vollgeschissene Grünanlagen, zerfledderte gelbe Säcke und durch Nightlife verdreckte Straßen hat das Viertel jetzt offenbar auch keinen Bock mehr.

„Das sind ja auch keine Fiktionen schwarzer Spießer“, meint Bücking, „die Probleme sind tatsächlich da.“ Warum sich also nicht wenigstens einige Ziele der „Aktion saubere Stadt“ zu eigen machen – und im öffentlichen Raum mit anpacken, „wie der Bürger das auch vom Staat verlangen kann“, sagt Bücking.

Eine Position, die allerdings lange alles andere als Konsens war. Das Thema sei im Viertel-Beirat lange „durchgeknetet“ worden, berichtet der Viertelbürgermeister. Herausgekommen ist dabei ein alternatives saubere-Stadt-Projekt – nachbarschaftsnah, sozialverträglich und somit nach Ausräumen aller ideologischer Vorbehalte gegen schwarzen Sauberkeitswahn auch politisch korrekt. Der Name: „Quartier-Service“ – erdacht gemeinsam mit dem Beschäftigungsträger der Bremer „Arbeit und Jugendwerkstätten“. Und gefördert vom Arbeitsamt, dem Umwelt- und Bausenator mit Mitteln der „Aktion saubere Stadt“.

Sechs Männer aus Sri Lanka und den GUS-Staaten organisieren von der Schildstraße 28 aus (Tel.: 794 03 10) die ausdrücklich als „Nachbarschaftshilfe“ gedachte Arbeit – und sind quasi die neuen „Multi-Dienstleister“ im Kampf gegen Dreck und Schmutz im Stadtteil. Sie helfen mit beim Sperrmüll, Mülltonnen-Herausstellen, beim Entsorgen von Gartenabfall und Elektro-Geräten.

Außerdem können Spielplatz-Initiativen um Hilfe anfragen, wenn Zäune kaputt sind oder Sand ausgetauscht werden muß. „Da packen wir mit an“, erklärt Projektleiter Vladimir Dorfmann. Aber die Quartierleute pilgern auch durchs Viertel – reparieren abgeknickte Poller oder sammeln Flaschen und Dosen sowie zerfledderte gelbe Säcke ein. Oder gehen Hinweisen nach, wenn kleine Teile von Sperrmüll seit Tagen die Straßen zumüllen.

„Wir sind aber immer die zusätzlichen Putzkräfte“, erklärt der Projektleiter – als Zusatz zu den offiziellen Reinigern der ENO, der Bremer Gehweig-Reinigung und anderer kommerzieller Betriebe. Alles andere wäre auch nicht erlaubt: Der Service wird öffentlich gefördert und darf somit keiner anderen Firma Konkurrenz machen.

Aber auch die Quartier-Leute selber sollen etwas von der neuen Arbeit haben: Die Herren Sudakov, Dehof, Butorin, Kquint und Kuru waren vorher in den Werkstätten im Recyclinghof Findorff aktiv – alle sind erst knapp sechs Jahre in Deutschland und bereits zwischen 40 und 50 Jahre alt. „Alt sein und schlecht deutsch können, da findet man schlecht Arbeit“, erzählt Herr Butorin und freut sich, jetzt immerhin drei Jahre im „Quartier-Service“ arbeiten zu können. Denn befristete BSHG-19- und ABM-Stellen wollte man ausdrücklich nicht für das Projekt haben: „Das lohnt sich nicht, die Leute sollen sich ja im Viertel auch richtig bekannt machen,“ erklärt Viertelbürgermeister Bücking.

Und so ist es sein ausdrücklicher Wunsch, daß man mit den Leuten vom Quartier-Service auch mal einen Kaffee trinkt – und sich auf der Straße grüßt. Und daß noch skeptische Viertel-Bewohner begreifen, „daß ein gepflegter öffentlicher Raum auch etwas Schönes sein kann“. Katja Ubben