Schröder: Besuch bei Primakow, Visite bei Jelzin

■ Der Bundeskanzler hat Rußlands Premierminister und die halbe Opposition getroffen. Für Jelzin reichen heute 30 Minuten. Kein neues Geld aus Deutschland

Moskau (taz) – Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist der erste wichtige Regierungschef aus dem Westen, dessen Visite in Moskau nicht vornehmlich einem Treffen mit Präsident Boris Jelzin gilt. Nach dem Empfang auf dem Flughafen Wnukowo fuhr der Kanzler direkt ins Weiße Haus zu Premierminister Jewgeni Primakow, der inoffiziell anstelle des siechen Präsidenten inzwischen die Leitung der Staatsgeschäfte übernommen hat.

„Schröder und ich sind uns darin einig, daß wir unseren Beziehungen außerordentliche Bedeutung beimessen“, meinte Primakow. Kontinuität wolle man wahren, auch unabhängig davon, wer jeweils im anderen Land an der Macht sei. Schröder hob hervor, durch „sehr enge Konsultationen“ wolle man an dem sehr guten Verhältnis festhalten. Es läge ihm auch daran, die „Beziehungen in eine neue Phase eintreten“ zu lassen. Bereits Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte letzte Woche darauf hingewiesen, daß die neue Regierung neben direkten Kontakten mit der russischen Provinz auch außerhalb des Regierungslagers nach Gesprächspartnern Ausschau halten möchte. Es dürfte Schröders wichtigstes Ziel der Reise sein, auszuloten, was die Post-Jelzin-Ära erwarten läßt. Gespräche mit dem Kommunistenführer Gennadi Sjuganow, General a. D. Alexander Lebed und dem oppositionellen Reformer Grigori Jawlinski standen schon am ersten Besuchstag auf der Tagesordnung. Schröder versicherte, er werde Formen der Zusammenarbeit entwickeln, die es beiden Ländern ermöglichen, in Europa und der G 8 gemeinsam aufzutreten. Aus der deutschen Delegation wurde bekannt, der Kanzler wolle die EU-Staaten dazu bewegen, ihre Politik gegenüber Moskau zu koordinieren.

Das dürfte die Russen kaum zufriedenstellen. Insgeheim hegen sie immer noch Hoffnungen, ihr wichtigster Handelspartner könnte am Ende doch noch Finanzmittel auftreiben. Schröder machte den Illusionen ein Ende: „Deutschlands Finanzpotential ist mehr oder weniger erschöpft.“ Auf die Frage, ob man in dem Gespräch auch Absprachen über die russische Schuldentilgung gegenüber Deutschland getroffen habe, meinte Primakow süffisant: „Gestatten Sie uns unsere kleinen Geheimnisse.“ Zu den deutschen Investitionen äußerte Schröder die Überzeugung, deutsche Firmen würden Rußland in der schweren Zeit nicht verlassen.

Das Antikrisenprogramm der russischen Regierung nannte der Kanzler „einen guten Anfang, aber noch nicht ausreichend“. Bisher haben nur die Kommunisten im Parlament den Krisenmaßnahmen ihr Placet erteilt. Wenn Jelzin nicht unpäßlich sein sollte, trifft Schröder heute vormittag mit dem Kreml-Chef für ein halbes Stündchen zusammen. Klaus-Helge Donath

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