Krude Krausenkrise

Alt-Hamburger Pastoren–Outfit ist gerettet: Steilshooper Näherinnen kümmern sich fortan  ■ Von Eberhard Spohd

Weihnachten ist gerettet. „Ich gehe davon aus, daß die etwa 100 Pastoren des Kirchenkreises Alt-Hamburg zu den Festgottesdiensten mit frisch gestärkten, weißen Halskrausen ausgestattet sind“, freute sich Pastor Hinrich C. G. Westphal vom Amt für Öffentlichkeitsdienst. Denn seit gestern werden die Kragen der Gottesmänner und -frauen wieder gewaschen und gebügelt – Verzeihung, getollt, wie die Verwandlung der feuchten, weißen Lappen zur ordentlichen Amtstracht bezeichnet wird.

Dazu sind mehr Arbeitsgänge notwendig, als die Liturgie Teile hat. Zunächst wird das gute Stück von der Textilnäherei Steilshoop zwölf Stunden gewässert und dann mit Hand und Bürste geschrubbt. Nach der Kochwäsche wird der Kragen in Stärkelösung gelegt, feucht auf einen Ring gespannt. Zum krönenden Abschluß werden die rund 120 Tollen-Waben mit dem Tollstab, der in einem Ondulierofen aufgeheizt wird, sechsmal getollt, damit die PastorInnen wohlgewandet ihren seelsorgerischen Pflichten nachgehen können.

Warum aber solch eine Aufregung um ein Stück Habit? Fakt ist: Die traditionelle hanseatische Halskrause stand vor dem Aus. Die bisherige Pflegerin Christel Frommmann legte den Tollstab aus Altersgründen im Sommer dieses Jahres aus der Hand. Eine veritable Krausenkrise war die Folge. In mehreren Sitzungen – Bischöfin Maria Jepsen kümmerte sich persönlich um die Angelegenheit – wurde eine Nachfolgerin gesucht, die das Geheimwissen um die richtige Handhabung besitzt.

Fündig wurde der Kirchenkreis Alt-Hamburg schließlich in Steilshoop. In der dortigen Textilnäherei kümmern sich fortan zwei bis drei Frauen um die Aufarbeitung der Arbeitskleidung. Das Beschäftigungsprojekt gibt alleinerziehenden Müttern aus dem Stadtteil Arbeit. Jeweils neun ehemalige Sozialhilfeempfängerinnen können so durch das Programm „Tariflohn statt Sozialhilfe“ drei Jahre lang Arbeit, Fortbildung und soziale Begleitung finden. Ironie des Schicksals: Die Trägerin des Projekts ist die evangelisch-lutherische Gemeinde, die wiederum zum Kirchenkreis Stormarn gehört. Dort trägt man Beffchen und hat für die hanseatische Krausenkultur eigentlich wenig Verständnis.

Nachdem diese Vorurteile nun überwunden scheinen, können die Alt-Hamburger PastorInnen endlich wieder mit sauberen Kragen ihre Gottesdienste abhalten. Der dreiteilige Habit der Geistlichen ist wieder komplett und adrett: Krause, Schaube – der kurzärmelige offene Mantel – und Summar. Und wenn in den Sakristeien der Hansestadt die 17 Knöpfe des Unterhabits zugeknöpft werden – die die zehn Gebote und die sieben Bitten des Vaterunsers symbolisieren – wird sicher auch der eine oder die andere ein kleines Dankgebet für die Steilshooper gen Himmel senden.