Das Portrait
: Preisgekrönter Politgefangener

■ Nisar Naijuf

Die Prämie wird er kaum demnächst selbst in den Händen halten können. Auf 15.000 Mark ist der Menschenrechtspreis dotiert, den die Journalistenorganisation Reporters sans frontières (RSF) heute in Paris dem syrischen Journalisten Nisar Naijuf (43) verleihen will. Doch der Ausgezeichnete sitzt seit fast sieben Jahren im Gefängnis.

Naijuf ist Mitglied der „Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte und der demokratischen Freiheiten in Syrien“, einer wegen angeblich staatsfeindlicher Aktivitäten unbarmherzig verfolgten Organisation. Der Journalist war Chefredakteur des Untergrundblattes Stimme der Demokratie. Zudem schrieb er für die Wochenzeitung Die Freiheit und die Literaturzeitschrift Die populäre Kultur.

Naijufs Name landete auf der Abschußliste der Geheimdienste. Im Januar 1992 wurden seine Frau und seine damals dreijährige Tocher verhaftet. Die Erpressung war erfolgreich. Wenige Tage später stellte sich Naijuf seinen Verfolgern.

Der in Syrien inhaftierte Journalist Nisar Naijuf erhält heute den Menschenrechtspreis von Reporters sans frontières Foto: RSF

Ein Militärgericht verurteilte den Dissidenten zu zehn Jahren Haft. Die ersten sechs Monate saß er im von Panzern geschützten Gefängnis von Sidnaya vor den Toren von Damaskus ab. Mehrfach traten er und andere Mitglieder der Menschenrechtskomitees in den Hungerstreik. Sie hätte „keine Rechte, außer denen gefoltert, von Militärgerichten abgeurteilt und vergessen zu werden“, schrieben sie in einem Kassiber.

1993 wurde Naijuf in das Gefängnis von Tadmur verlegt, mitten in die Wüste, unweit der Ruinen des antiken Palmyra. Vor allem aufsässige Gefangene werden dorthin gebracht, Folter ist an der Tagesordnung.

Derzeit sitzt Naijuf im Gefängnis des Damaszener Stadtteils al-Mese. In einer zweieinhalb mal drei Meter großen Zelle vegetiert er dahin. Seit sechs Jahren hat er kein Tageslicht gesehen. Weil sein Beine als Folge von Folter gelämt sind, kann sich Naijuf nur kriechend davonbewegen. Im September erfuhren Menschenrechtler, daß er unter Leukämie leiden soll. Doch seine Peiniger verweigern ihm die vielleicht rettende Chemotherapie. Begründung: Zuvor müsse er unterschreiben, daß er „über die Lage der Menschenrechte in Syrien die Unwahrheit verbreitet hat“. Naijufs Schicksal beweist das Gegenteil. Thomas Dreger