„Spiegel“ in Peking durchsucht

Chinas Staatssicherheit geht wegen angeblich illegaler Dokumente gegen Korrespondenten des „Spiegels“ vor und präsentiert ihm erstmals einen Haftbefehl  ■ Aus Peking Georg Blume

Chinas Staatssicherheit ist nachtragend. Statt den von ihr seit Jahren beäugten Spiegel-Journalisten und früheren taz-Mitarbeiter Jürgen Kremb auf seiner vorerst letzten Chinareise mit einem Augenzwinkern zu empfangen, warteten gestern acht Geheimdienstbeamte mit Handschellen auf ihn. Sie warfen Kremb nach acht Jahren Korrespondententätigkeit in Peking den Besitz illegaler Dokumente vor und präsentierten ihm dazu einen Haftbefehl. Die Aktion kommt ziemlich spät. Obwohl offiziell noch in China akkreditiert, wohnt Kremb seit Juni in Singapur und wird im Januar in Peking durch einen Nachfolger ersetzt. Gestern reiste er eigens zum Internationalen Jazz-Festival in die chinesische Hauptstadt an.

Kremb und Chinas Staatssicherheit kennen sich seit langem. Spätestens seit sich der Journalist 1993 mit dem damals für kurze Zeit aus der Haft entlassenen Dissidenten Wei Jingsheng anfreundete, haftete der Geheimdienst an seinen Fersen. Doch Kremb ließ sich von den Recherchen für eine Wei-Biographie nicht abhalten. So wurde er seither mehrmals von der Polizei verhört. Doch nie zuvor benahmen sich seine Vefolger so wie gestern.

Kaum hatte Kremb nach mehrwöchiger Abwesenheit sein Pekinger Büro erreicht, brachen die Beamten ein und stellten den Journalisten an die Wand. Sie verdunkelten die Vorhänge und schalteten mitgebrachte Halogenscheinwerfer ein. Kremb durfte sich während des mehrstündigen Verhörs nicht setzen. Fernsehkameras des Geheimdienstes hielten die miese Show für die Vorgesetzten fest. Die Agenten blieben vier Stunden und ließen keine Schublade des Spiegel-Büros ungeöffnet. Sie hatten einen Durchsuchungsbefehl der Staatssicherheit dabei.

Als Kremb endlich zwei Angehörige der Deutschen Botschaft herbeirufen konnte, die in auf diplomatisch geschütztes Gelände abtransportieren durften, war ihm verständlicherweise „etwas unangenehm“ zumute. „Auf meinen Kopf ist ein Haftbefehl der chinesischen Staatssicherheit ausgestellt“, wollte er witzeln. Doch ihm verging das Lachen. Wer weiß schon, wie man sich in solch einem Fall wehrt? Doch es gibt Hoffnung, daß der Spiegel-Mann ungeschoren davonkommt. Das Pekinger Außenministerium ist das Aufsehen, das Kremb erregt, längst leid und ist froh, wenn der Nachfolger seinen Dienst antritt. Um welche „illegalen Dokumente“ es sich handelt, die angeblich den Anstoß des Geheimdienstes erregten, wollte Kremb nicht sagen. „Das Verfahren schwebt noch.“