Gunda Röstel soll zweigleisig fahren

■ Die Bündnisgrüne Gunda Röstel bewirbt sich sowohl um den Parteivorsitz im Bund als auch um die Spitzenkandidatur in Sachsen

Dresden (taz) – In seiner Partei sei eigentlich „die Vornominierung durch irgendwelche Gremien nicht üblich“, sagt Hubertus Grass. Der sächsische Geschäftsführer der Bündnisgrünen demonstriert dann aber, daß dies auch nicht gänzlich unüblich ist. Denn Sachsens Landesvorstand bittet nun Gunda Röstel, auf dem Parteitag im kommenden April als Spitzenkandidatin auf ihrer Liste zu den Landtagswahlen anzutreten. „Die Bereitschaft von Gunda Röstel liegt vor“, sagt Grass. Sonst hätte man auf der Klausurtagung des Landesverbandes am Wochenende diese Bitte nur schwerlich als Vorstandsbeschluß formulieren können.

Die aus dem sächsischen Flöha stammende Röstel will auf der Bundesdelegiertenversammlung im Dezember aber auch als Sprecherin der Bundespartei wieder kandidieren. Ob sie von den Delegierten erneut ins Amt gehievt wird, hängt nicht zuletzt auch von der Unterstützung des realpolitischen Flügels ab, als dessen Repräsentantin Röstel gilt. Offen ist bislang, wer vom linken Flügel Röstel als künftige zweite Parteisprecherin gleichberechtigt begleiten soll. Nach kurzer Bedenkzeit hatte vor gut einer Woche die Fraktionschefin der Berliner Bündnisgrünen, Renate Künast, auf ihre Kandidatur verzichtet. Neben der Personalwahl soll die Bundesdelegiertenversammlung im Dezember auch eine Parteireform beschließen, die den Bündnisgrünen neue Strukturen gibt. Nach der Reform hieße Sprecherin Röstel – so sie gewählt wird – dann Parteivorsitzende, die Delegiertenversammlung dann Parteitag.

Sollten die Sachsen den Wiedereinzug ins Landesparlament in Dresden schaffen, dürfte Gunda Röstel den Parteivorstand allerdings nur einige Monate innehaben: Das sächsische Statut sieht nach wie vor eine Trennung von Amt und Mandat vor. Beides geht also nicht.

Um den Spagat für die Spitzenfrau zu ermöglichen, wollen jetzt einige Sachsen bei den Bündnisgrünen das Statut ändern. Auf ihrem Landesparteitag im Dezember werden sie einen entsprechenden Antrag einbringen. „Der wird aber sicherlich durchfallen“, so der Geschäftsführer des Landesverbandes, Grass. Die notwendige Zweidrittelmehrheit sei nicht zu organisieren.

So bleibt es wohl dabei: entweder Spitzenkraft im Sächsischen Landtag oder Parteichefin Röstel. Zu einer Stellungnahme war Röstel gestern nicht bereit.

Im Arbeitstreffen der Südschiene – hier beraten die Landesverbände der schwarz regierten Bundesländer ihre Strategien – wurde eine mögliche Kandidatur von Röstel am Montag als ein wichtiges bundespolitisches Signal begrüßt. „Es geht jetzt nicht darum, mit Bedauern auf den Osten zu schauen. Auch die Bundespartei muß sich mit aller Kraft in die anstehenden Landtagswahlkämpfe reinknien“, so Karl-Heinz Gerstenberger, sächsischer Landessprecher.

Dennoch stünde zunächst Röstels Kandidatur zum Parteivorstand auf der politischen Tagesordnung. „Und die wird sowohl von den Bayern als auch von den Bündnisgrünen aus Baden-Würtemberg unterstützt.“ Jetzt schon nachzudenken, „was wäre wenn, ist Kaffeesatzleserei“, so Gerstenberg. Zwar hätten die sächsischen Bündnisgrünen die besten Wiedereinzugschancen aller fünf ostdeutschen Landesverbände. „Trotzdem müssen wir die Fünfprozenthürde erst mal schaffen.“ Nur wenn das mit Gunda Röstel gelänge, hätte die grüne Bundespartei in der Tat ein Problem. „Aber eines“, so der sächsische Landessprecher Gerstenberg, „über das sie sich freuen sollte.“ Nick Reimer