Schröder hat kein Geld, aber ein Herz für Rußland

■ Moskau-Besuch beendet, Gast und Gastgeber zufrieden. Der Kanzler will sich „nicht nur mit dem Verstand“, sondern „mit Herz und Bauch“ für Rußland einsetzen

Moskau (taz) – „Ich hoffe, unsere Beziehungen entwickeln sich auch beim Übergang ins nächste Jahrhundert in dem Tempo weiter, wie sie es zur Zeit tun“, begrüßte Präsident Boris Jelzin Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern in Moskau. Höflich entgegnete der Kanzler: „Ich bin sicher, daß es so sein wird.“ Wie schon bei Zusammenkünften mit Premierminister Jewgeni Primakow und anderen russischen Politikern bekräftigte der Bundeskanzler auch im Gespräch mit dem Kreml- Chef Entschlossenheit, die gemeinsamen guten Beziehungen zu wahren.

Diesmal allerdings paraphrasierte er das Bonmot des russischen Dichters Tjutschew „Rußland ist nicht mit dem Verstand zu begreifen“ in einer recht originellen Weise und signalisierte den Gastgebern damit eine gewisse informierte Empathie: Er wolle sich nicht nur mit dem Verstand, sondern „auch mit Herz und Bauch“ für Rußland einsetzen. Dennoch reicht die ostpolitische Kompetenz der gegenwärtigen Sozialdemokratie nicht an die Zeiten Brandts und Schmidts heran. Das ist auch ein Fazit des Moskau-Besuchs.

Noch am Vortag stand nicht fest, ob das Treffen mit dem siechen Kreml-Chef überhaupt stattfinden werde. Gerhard Schröder unternahm denn auch die halbstündige Stippvisite in den Kreml eher in der Eigenschaft eines visitierenden Arztes denn eines Politikers. Nach der Zusammenkunft äußerte sich Schröder indes anerkennend über Jelzin. Er sei „auf einen auch im Detail sehr informierten Präsidenten gestoßen“. Jelzin wirkte in der Tat aufgeräumt, gestikulierte ein wenig zuviel und sah wächsern aus. Er sicherte Schröder zu, sich für die Vergabe einer Wartungslizenz des MiG-29-Kampfflugzeugs stark zu machen, um es in der Nato einzusetzen. Von „politischem Charme“, so Schröder, sei auch die zwischen der Ukraine, Rußland und Deutschland geplante Produktion eines Transportflugzeugs.

Gegenüber Studenten in Moskau charakterisierte der Bundeskanzler den Kommunistenchef Gennadi Sjuganow als „einen gescheiten Mann, der in Wirtschaftsfragen und internationalen Angelegenheiten kompetent ist“. Kommunist Sjuganow wird von den russischen Medien stark unter Beschuß genommen, weil er antisemitische und rassistische Auswüchse in seiner Partei duldet.

Der Präsident und der Bundeskanzler verabredeten sich für den G-7-Gipfel vom 18. bis 20.Juni. Bei diesem Gipfel erwarte Schröder Jelzin in Köln, „damit wir gemeinsam den Dom besichtigen können“.

khd Tagesthema Seite 3