Was brauchen wir zum Glücklichsein?

■ Lob der Langsamkeit: In Schritte der Achtsamkeit dokumentiert Thomas Lüchinger die Lehren des buddhistischen Denkers und Friedenskämpfers Thich Nhat Hanh

Was brauchen wir zum Glücklichsein? – Ganz einfach: Atemtechnik und Achtsamkeit. So könnte man die Lehre des buddhistischen Mönches Thich Nhat Hanh auf den Punkt bringen. Allerdings ist das etwas verkürzt und wird weder der nach dem Dalai Lama wohl bekanntesten buddhistischen Persönlichkeit noch Thomas Lüchingers Dokumentarfilm Schritte der Achtsamkeit gerecht.

Der Schweizer Filmemacher begleitet den rüstigen Zen-Buddhisten sowie eine Gruppe junger Mönche und Nonnen auf eine Pilgerreise ins indische Bodh Gaya, den Ursprungsort des Buddhismus. Inzwischen im französischen Exil lebend, zählt der 72jährige Thich Nhat Hanh zu den weltweit wichtigsten spirituellen Lehrern des Buddhismus. Während des Vietnamkriegs war er der Führer der buddhistischen Friedensbewegung und wurde deshalb von der antikommunistischen Regierung ebenso verfolgt wie von dem folgenden kommunistischen Regime. Martin Luther King schlug ihn für den Friedensnobelpreis vor mit der Begründung: „Würden wir Thich Nhat Hanhs Praxis der Achtsamkeit verwirklichen – wir hätten eine wahre Weltbruderschaft, eine ökumenisch geeinte Menschheit.“

Im Buddhismus, so wie ihn Schritte der Achtsamkeit darstellt, geht es um das Leiden des Lebens. Leben bedeutet immer Leiden, weil es selbt in den glücklichsten Momenten unbeständig ist. Der Weg, dieses Leiden zu überwinden oder wenigstens mit ihm umzugehen, ist die Meditation. Lüchinger versucht, nicht nur mit seiner Dokumentation die Lehre des Meisters zu erklären und seine Formen der Meditation vorzustellen, sondern seinen Film selbst meditativ zu gestalten.

Beispielsweise erläutert Thich Nhat Hanh seine Geh-Meditation. „Achtsames Gehen“ nennt er das, wenn man bewußt einen Schritt nach dem andern macht, überlegt die Füße aufsetzt und abrollt und dabei kontrolliert ein- und ausatmet. So soll man sich um die Erde und um sich selbst kümmern und sich vor Augen führen, daß es nur das Hier und Jetzt gebe. In langen, ruhigen Einstellungen hält der Filmemacher diese Ausführungen fest. Das langsame Erzähltempo des Films, die wenigen Schnitte lenken die Aufmerksamkeit ganz auf die Rede des Mönchs – und sein Gehen. Keine Begleitmusik untermalt diese Sequenzen, sondern nur natürliche Geräusche wie intensives Vogelgezwitscher.

Leider driftet das Meditative irgendwann ins Einschläfernde ab. Das hängt auch damit zusammen, daß der Zuschauer, obwohl anschaulich in den Buddhismus eingeführt, feststellen muß, daß dieser gar nicht so exotisch ist wie vielleicht erwartet. Die Ideen von Mitgefühl und Nächstenliebe begegnen uns auch im Christentum oder Humanismus. Daß Geld allein nicht glücklich macht und man versuchen sollte, im Hier und Jetzt zu leben, ist auch keine grundlegend neue Erkenntnis. Teilweise wirken die Weisheiten des Thich Nhat Hanh etwas banal. Bei allem Engagement für seine Mitmenschen.

Oliver Eckers von Do, 19. bis Mi, 25. November, jeweils 19 Uhr, Abaton