Das Büro neben dem Eßtisch

Seit sieben Wochen arbeiten 14 Behörden-Angestellte von zu Hause aus  ■ Von Judith Weber

Schon wieder Mama. Wie immer zur besten Bürozeit, irgendwann zwischen dem ersten Kaffee und der Mittagspause. Nur schnell auf einen Schnack, rechtfertigt sie sich durchs Telefon, weil es so praktisch ist, daß ihr Kind zu Hause arbeitet statt „auf dem Amt“.

„Daß sich ständig Eltern oder Freunde melden, kann einem schon passieren, wenn man mit der Telearbeit anfängt“, sagt Loes Broekmate, Angestellte der Finanzbehörde. „Aber damit muß man umgehen lernen.“ Den privaten Anrufbeantworter anschalten, den neuen Computer auch, und das Wohnzimmer schrumpft zum Büro.

Seit Anfang Oktober verbringt Broekmate einen Teil ihrer Arbeitszeit zu Hause. Die 35jährige nimmt gemeinsam mit acht anderen Frauen und fünf Männern an einem Telearbeits-Modellversuch der Hamburger Verwaltung teil. Ein Jahr lang dürfen sie hauptsächlich in ihrer Wohnung arbeiten – früh morgens, nachts oder in der Mittagspause, wann immer es gerade paßt. Nur eine Kernzeit ist mit den Vorgesetzten vereinbart. Post fischt die 35jährige aus der e-mail-Box im Computer, Arbeitsergebnisse wandern auf demselben Weg, per ISDN, zu den KollegInnen. Gespräche von KundInnen werden direkt durchgestellt, ohne daß die AnruferInnen merken, daß sie in einer Privatwohnung landen.

Untersuchungen haben ergeben, daß Angestellte durch diese Flexibilität bis zu 20 Prozent mehr Leistung bringen. Mütter können leichter wieder in den Beruf einsteigen; MitarbeiterInnen von außerhalb sparen sich die lange Fahrt. Auch die Hamburger Verwaltung hofft, mit der Telearbeit „die Motivation zu steigern“, wie Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD) erklärt.

Bei Detlef Malessa hat das geklappt. Der Datenschutz-Berater, der im Büro mittags „oft in ein gnadenloses Loch fiel“, arbeitet zu Hause meist früh morgens und gegen Abend. Zwischendurch geht er Radfahren oder kocht gemeinsam mit seiner Frau Mittagessen. Das Gespräch mit den Nachbarn, die zunächst ängstlich fragten, ob er krank oder arbeitslos sei, ersetzt den Klatsch unter Kollegen.

Daß man die nicht einfach auf ein Schwätzchen in der Teeküche treffen kann, ist einer der Nachteile der Telearbeit. „Wenn ich dann in der Behörde bin, gehe ich als erstes einmal rum und sage hallo“, erzählt Broekmate. Zum Geburtstag gratuliert sie per e-Mail. Damit die FernarbeiterInnen nicht gänzlich den Kontakt zu ihren KollegInnen und die Anbindung an den Betrieb verlieren, sollen sie mindestens 20 Prozent der Arbeitszeit im Büro verbringen. „Alternierende Telearbeit“ nennt Nümann-Seidewinkel das.

Wenn dieses Modell ausgeweitet wird, könnte die Verwaltung pro MitarbeiterIn rund 6000 Mark im Jahr sparen. Denn wer nur wenig Zeit im Büro verbringt, braucht kein eigenes Zimmer; Platzbedarf und Mietkosten würden sinken.

Bisher sind es meist Frauen, die sich für Telearbeit begeistern – oft weil sie kleine Kinder haben wie bei Loes Broekmate. Zwar sind TelearbeiterInnen gerade deshalb vor Störungen nicht gefeit. Rumpelnd unterbricht die Waschmaschine die Planung, oder die Kinder liegen mit Windpocken im Bett. „Aber dann kann ich immer noch abends weitermachen“, zuckt sie die Schultern. „Und wenn ich eine Pause brauche, hat Hausarbeit sogar eine entspannende Wirkung.“