Musik als Spiegel der Biographie

■ Der multitalentierte Musiker und Emigrantensohn Willy Schwarz gibt zwei Konzerte in Bremen und verspricht eine musikalische Weltreise mit dem Publikum

Zum Interview bringt er die äthiopische Masenko mit. Denn daß der Fotograf ihn nur im Porträt festhält, das will er nicht. Die einsaitige Masenko ist das neueste von den bisher zwölf Instrumenten aus aller Welt, die Willy Schwarz spielt. Schwarz kommt mit zwei verschiedenen Konzertprogrammen nach Bremen, und die ebenso befremdliche wie anrührende Mixtur seines Musikstiles bietet Anlaß genug, ihn kennenzulernen. „Jewish Music around the world“ heißt das eine Programm und „Live for the Moment“ das andere: Dabei ist Schwarz' Musik ist ein ziemlich genauer Spiegel seiner Biographie.

1949 wurde Schwarz als fünftes Kind in einer kleinen Stadt in Michigan geboren, seine jüdischen italienisch-deutschen Eltern hatten 1940 mit dem letzten Schiff aus Genua Europa verlassen können. Aber nicht nur der kleine Junge war jetzt einer Vielfalt ethnischer Einflüsse ausgesetzt, die Eltern hatten ihrerseits auch schon „die Welt“ im Lebensgepäck. Der Vater hatte eine deutsche Mutter, ist als Ingenieur in der Welt herumgekommen und verlor nach dem Machtantritt von Mussolini als Jude sofort seine Stellung. Was sich als ein Gefühl von Entwurzelung auswirken könnte, empfand das Kind Willy von Anfang an als nur positiv: „Die einzige Teenagerrebellion, die ich hatte, war der Widerstand gegen die deutsche und die italienische Kultur“, sagt er. Schwarz ist dann nach Nepal, Afghanistan und Indien gegangen, hat Hindi sprechen und die wichtigsten Musikinstrumente spielen gelernt. „Die indische Musik ist in Melodie, Rhythmus, Harmonik die reichste und tiefste, die es gibt. Das gibt es sonst nirgendwo in der Welt. Sie hat mich am meisten geprägt.“ Dann hat Schwarz rumänische Musik studiert, afrikanische, alte Klez-mermusik ... Angesichts von Schwarz' Biographie liegt die Frage nahe, ob diese umfassende und unruhige Suche nach so unterschiedlichen Kulturen auch eine nach sich selbst ist. „Auf jeden Fall!“ sagt der Musiker, der sein Geld unter anderem mit der Komposition von Theater- und Filmmusik verdient und Techno für den Tod der Musik überhaupt hält.

Dagegen die jüdische Musik – einmal die Musik in der Synagoge und zum zweiten die weltliche Musik, die ja in jedem Land eine andere Ausprägung erfahren hat. Was ist denn heute eigentlich jüdische Musik? „Die Konstante in der jüdischen Musik der Welt ist die Thora, die jüdische Auslegung der Bibel. Und es ist der Brauch, zu den großen Festen des Menschen – im Judentum Geburt, Heirat und Tod – Musik zu machen. Und das wiederum ist in der ganzen Welt auch in anderen Religionen gleich.“ Seine „Mission ist, die Kulturen zu verstehen und sie zu vermitteln“. Die „ethnischen Suppen“ in der Popmusik lehnt er zum Beispiel genauso ab wie die Synthesizermusik: „,Hast Du je die Musik der Eskimos gehört?' habe ich einmal einen Freund gefragt, der mir völlig begeistert von seinen synthetischen Klängen erzählte.“ Dabei nutzt Schwarz Elektronik durchaus, wenn sie „hilft, etwas zu zeigen“.

So ganz nebenbei erfährt man, was Schwarz noch alles gelernt hat, zum Beispiel Renaissance-Laute spielen. Die Frage liegt nahe, ob es nicht für jede Musik doch eine Vorbildung braucht, oder, um das unpassende Wort Bildung zu vermeiden, eine persönliche Verwurzelung in einer bestimmten Kultur, um bestimmte Musik eben auch zu verstehen. „Nein“, sagt Schwarz überzeugt, „man muß nur offen sein. Alle Töne erreichen unser Unterbewußtsein, und ich verstehe es als eine Art Reise, die ich mit dem Publikum zusammen unternehme.“ Für den persönlichen Stil von Schwarz gibt es keine Grenzen: Witz und Ironie fehlen auch nicht in seinen Programmen, wenn er zum Beispiel zwei jüdische Mütter anläßlich der Heirat ihrer Kinder über die Höhe der Mitgift dialogisieren läßt. Ute Schalz-Laurenze

Samstag, 21.11., 20 Uhr Rembertikirche in Horn: „Jewish Music arround the world“. Dienstag, 24.11., 20 Uhr im „Callas“ Worpswede, Überhammer Str. 41 (Tel.: 04792/40 36) „Live for the Moment“ mit Heiko Lehmann (Baß) und Roland Krüger (Perc.) in Co-Produktion mit Radio Bremen