Hau den Riesenpenis!

■ Michael Glawoggers halbdokumentarischer Spielfilm „Kino im Kopf“ verbindet lustig und trashig die unterschiedlichsten Filmgenres

Am Anfang hatte der österreichische Regisseur Michael Glawogger eine pfiffige Idee. Per Inserat suchte er Menschen, die einen tollen Film im Kopf haben, den sie gern einmal verwirklichen würden. Aus den ziemlich zahlreich eingesandten Treatments wählte der Dokumentarist elf aus, unterstützte die jungen Regisseure mal mehr, mal weniger bei der Realisierung ihrer Traumgeschichten und faßte dann alles zu einem halbdokumentarischen Spielfilm zusammen, dessen Titel durchaus wörtlich zu nehmen ist. Denn nur zu einem Teil wurden die zehn Geschichten, aus denen „Kino im Kopf“ besteht, auch inszeniert; zum anderen besteht der Film aus Interviewpassagen mit den Autoren, die ihren Film erzählen.

Daß die versammelten Regisseure größtenteils auch in ihrem sonstigen Leben mit Film oder doch zumindest mit Medien zu tun haben, deutet zwar darauf hin, daß das pfiffige Inserat, das am Anfang stand, doch nicht ganz so ernst gemeint war. „Kino im Kopf“ ist dennoch ein sehr unterhaltsamer Film geworden, der die unterschiedlichsten Genres lustig verknüpft, wobei die mehr oder weniger trashigen Geschichten überwiegen. Da ist zum Beispiel Charles in dem Filmprojekt von Hans Hermann Fink. Charles, unabhängig, ungebunden, ein Mann im besten Alter, sammelt gebrauchte Damenschuhe. Das ist seine Passion. Tagtäglich rennt er seinen Zielobjekten hinterher, lockt sie ins Café und fragt sie dann, ob sie ihm ihre Stiefeletten überlassen, die er dann in seinem begehbaren Schrank verliebt anschaut und streichelt. Das gibt dann allerlei Probleme, die durchaus langfilmtauglich („Der Mann der Friseuse“) wirken.

Ein sympathisch jungenhafter Wiener Straßenbahnschaffner skizziert ein actionbetontes Dramolett, in dem es um Liebe, Gangsterbanden aus dem Balkan, eine Badewanne voll Kokain und eine geheimnisvolle Bosnierin mit dem schönen Namen Lupina geht. Eine schöne Idee des Exjournalisten und derzeitigen Trambahnschaffners Peter Budil!

Klassisch Straub-Huillet-mäßig geschieht Kafkas „Schlag ans Hoftor“ in der ambitionierten Verfilmung des ambitionierten Berliner Regisseurs Boris Schafgans. Im Auftrag von Andreas Dusl, der übrigens im Alter von vier Jahren wahnsinnig wurde, wie es in der Produktinformation heißt, trampt ein Schriftsteller gen Osten auf der Suche nach interessanten Geschichten. Eine geheimnisvolle Amerikanerin spielt auch eine Rolle.

Während es um die wundertätigen Hände eines einsamen Arbeitslosen in dem Rührstück von Richard „Blue“ Lormand geht, hauen sich die spärlich bekleideten Vampirellas von Carl Andersen mit großer Begeisterung superbunte Riesenpenisse in düsteren Kellern um die Ohren; ein Stamm blutrünstiger Kinder in einer Gegend ohne Sonne ist gemein zu einem dicken Studienrat, so die abscheuliche Vorstellung von E.P. Wischin, ein wegen Gentechnik sprechender Schweinekopf treibt sein Unwesen in den perversen Phantasien von Viktor Tremmel und Christoph Mayr; kohlensäurearm plätschert die hübsch sauber fotografierte Geschichte über Leonard und Ida, ein Fotografenehepaar aus einer niederösterreichischen Kleinstadt, vorbei.

Der Autor Willy Puchner fotografiert gern Pinguine. Die Heldin aus Susanne Strobls Liebesfilm „Der letzte Happen“ verspeist ihren Liebhaber, was zu bislang unbekannten erotischen Sensationen führt. Ein chirurgischer Eingriff, bei dem beide Hirnhälften voneinander getrennt werden, schließlich führt zu jekyll- und hydemäßigen Konsequenzen im Leben des 30jährigen Epileptikers Lorenz, den sich Hans Weingartner ausgedacht hat.

Mal mehr, mal weniger stimmig hat Michael Glawogger die Interviewpassagen und Trailer der Filmideen zusammengeschnitten. Ein Festival des jungen Films, dessen Langform man sich teilweise zumindest auch ganz gern anschauen würde. Detlef Kuhlbrodt

„Kino im Kopf“. Zusammengestellt von Michael Glawogger. Österreich 1998, 87 min.

Beteiligte Regisseure: Carl Andersen, E.P. Wischin, Willy Puchner, Viktor Tremmel/Christoph Mayr, Hans Weingartner, Hans Hermann Fink, Susanne Strobl, Richard Blue Lormand, Andreas Dusl, Peter Budil, Boris Schafgans. Ab heute in der Brotfabrik.