Bei der BVG kommen sich die Streithähne näher

■ Vorstand und Gewerkschaft verhandeln über Gründung von Tochterfirmen für Busbetrieb, Reinigung und Sicherheit. Geringere Löhne geplant, um Einfluß der Bahn AG zu verhindern

Im Streit um die Zukunft der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gibt es eine Annäherung von Vorstand und Gewerkschaft. Die Kontrahenten verhandeln gegenwärtig über die Gründung einer BVG- Tochter für den Busverkehr, die dank geringerer Löhne und längerer Arbeitszeiten der Beschäftigten kostengünstiger arbeiten würde. Früher hatten Gewerkschaft und Personalrat derartige Auslagerungen abgelehnt. Durch das Ansinnen der Deutschen Bahn AG aber, die BVG quasi zu schlucken, kommt Bewegung in die starren Fronten im Unternehmen.

„Wir sprechen über die Busgesellschaft und zwei weitere Töchter für Reinigung und Sicherheit“, sagt Frank Bäsler, Sekretär der ÖTV. BVG-Vorstand Joachim Niklas bestätigt „intensive Kontakte“, da der Aufsichtsrat dem Vorstand den Auftrag erteilt habe, bis Mitte Dezember einen Konsens mit den Beschäftigten zu erreichen. Zum Stand der Verhandlungen will Niklas sich aber nicht äußern.

Nach Ansicht der ÖTV soll die mögliche Tochter der BVG maximal 30 Prozent des Busverkehrs abwickeln, den der Betrieb heute in Eigenregie durchführt. Während der Ableger mit rund 100 Beschäftigten starten würde, könnten in einigen Jahren bis zu 800 der heute 4.350 BusfahrerInnen dort arbeiten. Im Gegensatz zur ÖTV strebt der BVG-Vorstand jedoch an, mehr Busverkehr als nur 30 Prozent der heutigen Verkehrsleistung an die Tochter abzugeben. Der betriebswirtschaftliche Reiz fürs Unternehmen liegt darin, daß die Gewerkschaft mit 10 oder 20 Prozent niedrigeren Löhnen der ausgelagerten Beschäftigten einverstanden wäre und der Verlängerung der Arbeitszeit um 20 Stunden pro Monat auf 192 Stunden zustimmen würde.

Damit würden die Kosten sinken und die Bustochter wäre konkurrenzfähig gegenüber privaten Busbetreibern, die sich auf dem liberalisierten Verkehrsmarkt der Zukunft um lukrative Linien bewerben. Eine Vereinbarung über die Auslagerung von BVG-Beschäftigten wäre ein Durchbruch in der gegenwärtigen Diskussion um die Privatisierung des Unternehmens und eine Vorentscheidung im Hinblick auf die spätere Struktur des Betriebs. Bei einer Anhörung der Bündnisgrünen zur BVG Anfang November hatte sich die Verbesserung des Verhandlungsklimas bereits abgezeichnet.

Seit die Fraktionschefs von SPD und CDU, Klaus Böger und Klaus Landowsky, im vergangenen April propagierten, Land und Bahn AG sollten eine Berliner Verkehrsholding gründen, um S-Bahn und BVG zusammenzuführen, tobt eine heftige Debatte. In deren Mittelpunkt stehen Überlegungen, wie das BVG-Defizit von rund 1,3 Milliarden Mark verringert werden könne. Da sowohl Vorstand als auch ArbeitnehmerInnen das Zusammengehen mit der Bahn unter deren Führung ablehnen, müssen sie selbst praktikable Sanierungsvorschläge machen.

In einer entscheidenden Frage allerdings liegen die Positionen so weit auseinander wie eh und je. Der Vorstand möchte die gesamte BVG in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft umwandeln, um mehr unternehmerische Freiheit zu genießen. Gewerkschaft und Personalrat lehnen die Privatisierung scharf ab, um den Einfluß des Staates in der bisherigen Anstalt öffentlichen Rechts aufrechtzuerhalten. Für den Fall, daß die Streithähne sich an diesem Punkt nicht näherkommen, hat SPD-Fraktionschef Böger bereits einen „Runden Tisch“ mit „allen Beteiligten“ angekündigt. Hannes Koch