Makkabi chai – Makkabi lebt

Ein bildreiches Buch zeichnet die Geschichte der jüdischen Sportbewegung nach, die vor 100 Jahren als Reaktion auf den Antisemitismus in deutschen Vereinen begründet wurde  ■ Von Martin Krauß

Ein allzu großes Presseecho hat das 100jährige Jubiläum der jüdischen Makkabi-Sportbewegung in diesem Herbst nicht gerade ausgelöst. Es war eher ein Pflichtprogramm, das da abgespult wurde: eine Ausstellung, ein wissenschaftliches Symposium und ein Festakt unter Schirmherrschaft von Roman Herzog, zu dem das übliche Festaktpersonal von Sabine Christiansen über Michel Friedman bis Iris Berben antanzte.

Und ein Buch ist erschienen. Das aber ist ohne Einschränkung zu loben: „Makkabi chai – Makkabi lebt“ heißt der sehr gut bebilderte Band, den der australische Journalist Eric Friedler mit Unterstützung der Kölner Journalistin Barbara Siebert vorgelegt hat.

Historisch genau beginnt Friedler mit der Beschreibung des Erfordernisses einer eigenen jüdischen Sportbewegung wegen des Antisemitismus in den sonstigen deutschen Clubs. Der war in deutschen Turnvereinen noch verbreiteter als sonst in der Gesellschaft, was schon was heißt, und verdankt sich in nicht unerheblichem Maße dem Wirken des Turnvaters, Friedrich Ludwig Jahn, der unter anderem gegen die „Leichenbühne des neuzeitlichen volkstumslosen, jüdelnden und junkernden Weltbürgertums“ wetterte.

Außer solchem und anderem Antisemitismus war auch die Idee des „Muskeljuden“ ein Motiv für die Begründung einer eigenen jüdischen Sportbewegung. Der Begriff stammt von dem zionistischen Theoretiker Max Nordau, und auch die Diskussion, ob er nicht das antisemitische Stereotyp vom durchgeistigten und schwächlichen Juden antizipiert, wird bei Friedler geführt. Kritisch untersucht der Autor die Rolle der Frauen in der jüdischen Turnbewegung. Männerwiderstände gegen angeblich zu leicht und unzüchtig bekleidete Turnerinnen gab es auch in der Bar-Kochba-Makkabi-Bewegung, wenngleich sie hier schneller und früher überwunden wurden als beispielsweise in der Deutschen Turnerschaft: 1903 lag der Frauenanteil im JTV Bar Kochba schon bei 34 Prozent.

Friedler beschäftigt sich in dem Buch auch mit dem Sportbund „Schild“ des deutschnational eingestellten Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, und er beschreibt den Mitgliederzuwachs, den Makkabi, Bar-Kochba und Schild zwischen 1933 und 1938 erlebten, weil die deutsch-arischen Clubs ihre jüdischen Mitglieder ausschlossen. Leider untersucht er nicht, warum in Deutschland, anders als beispielsweise in Polen, sich keine jüdische Arbeitersportbewegung entwickelte. Mit großer Sorgfalt behandelt Friedler die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, bei denen die Nazis die – in ihrem Jargon – „Volljüdin“ Gretel Bergmann, damals eine der weltbesten Hochspringerinnen, nicht akzeptierten, aber die „Halbjuden“ Helene Mayer (Fechten) und Rudi Ball (Eishockey) einluden.

Die Sorgfalt, mit der Friedler im deutschen Sport recherchiert hat, läßt er im ausländischen Sport leider manchmal vermissen. Seine Behauptung beispielsweise, der frühere US-Schwergewichts-Boxweltmeister Max Baer sei Jude gewesen, ist ein weitverbreitetes Fehlurteil, das sich einzig darauf gründet, daß Baer mit dem Davidstern auf seiner Hose in den Ring trat. Den von Friedler unterstellten Symbolgehalt von Baers Sieg über Max Schmeling am 8. Juni 1933, daß nämlich ein jüdischer Boxer mit dem K.o.-Sieg über den arischen Helden Schmeling „einen Ausgleich für die alltäglichen Demütigungen“ der Juden geschaffen hatte, war sicherlich eine von Baer gewollte Symbolik, aber faktisch stimmt sie nicht.

Friedlers Recherchearbeit bezieht sich hauptsächlich auf die Geschichte des Sports in Deutschland, und da hat er exzellent gearbeitet. Er behandelt zum Beispiel als einer der ersten Autoren das Thema der sogenannten displaced persons, die aus den KZs befreit wurden und sofort anfingen, Sport zu treiben. Etliche Makkabi-Clubs wurden in Deutschland wieder gegründet, doch da das Gros der Gründer nach Palästina (später: Israel) auswanderte, hatten die Vereine keinen Bestand. Das Buch endet mit einer kurzen Bestandsaufnahme des jüdischen Sports im gegenwärtigen Deutschland, also unter dem Dach des 1965 wiedergegründeten Makkabi Deutschland.

„Makkabi chai – Makkabi lebt“ ist nicht nur wegen seiner Materialfülle und seiner schönen Gestaltung zu loben. Auch daß es Friedler und seiner Kollegin Siebert gelungen ist, bei allem fälligen Lob für die jüdische Sportbewegung auch noch einen kritischen Blick zu behalten, ist angenehm bemerkenswert.

Eric Friedler: „Makkabi chai – Makkabi lebt. Die jüdische Sportbewegung in Deutschland 1898– 1998“. Unter Mitarbeit von Barbara Siebert. Verlag Christian Brandstätter, Wien, München 1998, 68DM