Abdullah Öcalan hält Rom in Atem

Italiens Regierung würde den PKK-Chef gerne loswerden. Doch in Deutschland scheint ihn niemand haben zu wollen, und in der Türkei droht ihm die Todesstrafe  ■ Aus Rom Werner Raith

Wohin nur mit Abdullah Öcalan? Seit Italiens Behörden vor einer Woche den mit falschem Paß reisenden Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) festgenommen haben, herrscht Ratlosigkeit.

So einfach die Sache anfangs schien – der Mann bleibt erst mal in Italien und wird dann an Deutschland ausgeliefert –, so kompliziert ist sie nun. Die Deutschen wollen sich partout nicht äußern, ob sie den von ihnen mit internationalem Haftbefehl Gesuchten ausgeliefert bekommen wollen oder nicht. Die Angelegenheit werde „geprüft“, hieß es auch gestern von der Generalbundesanwaltschaft. Auf Grundlage des Schengener Abkommens müsse ein Auslieferungsantrag innerhalb von 18 Tagen gestellt werden. Allerdings könne eine Fristverlängerung auf 40 Tage beantragt werden. Stichtag wäre dann der 22.Dezember.

Um so massiver wird der Druck aus Ankara: Die türkische Handelskammer droht Italien mit dem Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen. Der türkische Botschafter in Rom kündigte eine „schwere Klimaverschlechterung“ in Sachen Imigrationsflüsse an – vorbei wäre es dann mit der Vorwarnung seitens der türkischen Behörden, wenn Schiffe mit auswanderungswilligen Kurden nach Unteritalien dümpeln. Und Ministerpräsident Mesut Yilmaz rief gestern in Westeuropa lebende Türken auf, per Fax bei der italienischen Regierung auf die Auslieferung Öcalans zu drängen. Die Kosten übernehme die türkische Regierung.

„Natürlich“ werde man den Mann nicht an ein Land ausliefern, „in dem ihm die Todesstrafe droht“, tönt derweil Italiens als Kurdenfreund geltender Justizminister Diliberto. Regierungschef Massimo D'Alema verschanzt sich hinter den Gerichten. Die müßten darüber entscheiden, ob Öcalan Asyl bekommt, und die Gerichte seien bekanntlich unabhängig.

Zuspruch bekommt der PKK- Chef auch von der oppositionellen Liga Nord. Öcalan sei nicht nur schutzwürdig, verkündet deren Chef Umberto Bossi, sondern „ein wirklicher Held“ und „ein Symbol des Separatismus“ – einer Bewegung also, der sich die abspalterischen Nord-Ligisten verwandt fühlen.

De rechte Opposition versucht die Sache für die eigenen Ziele zurechtzubiegen. „Fingerspitzengefühl“ solle man walten lassen, fordert die Nationale Allianz. Sie hat Angst, daß bei einer Solidarisierung mit Ankara alte Sprüche in Erinnerung kämen, die dem neudemokratischen Image der Partei nicht gut anstünden: „Ankara, Athen, als nächstes kommt Rom!“ hatten die Neofaschisten zu Beginn der 70er Jahre gejubelt, als in Griechenland und der Türkei Militärdiktaturen hochgeputscht worden waren. Parteichef Gianfranco Fini versucht deshalb, den Finger auf eine andere Wunde zu legen: „Wir wollen wissen, inwieweit die ganze Sache mit der Regierung oder amtlichen Stellen abgekartet war.“ Da gerät Ministerpräsident D'Alema ins schwimmen. Außer daß er persönlich nichts von der Sache gewußt habe, kann er nichts zur Verteidigung sagen. Wer sonst etwas gewußt hat, darüber schweigt er.

Einen Ausweg für die Italiener könnte Schweden eröffnen. Dort wollen Ermittler Öcalan wegen des Mordes 1986 an Ministerpräsident Olof Palme vernehmen. In den nächsten Tagen wollen sie einen Vernehmungsantrag stellen.