Ein Himmel voller Sohlen

■ „Parks in Space“: Auf den ersten Blick zaghaft und vorsichtig meldet sich das Kulturzentrum Schlachthof künstlerisch und mit Vorträgen zur leisen Debatte über die Großprojekte Ocean Park und Space Park zu Wort

Vor der Open-air-Bühne des Kulturzentrums Schlachthof steht jetzt ein Windrad, und wenn gerade keine Flaute ist, gibt es auch Töne von sich. Der Bremer Künstler Dietrich Wildgrube hat das Rad, das halb Objekt und halb Musikinstrument ist, an der Böschung zur Bürgerweide aufgestellt. Es ist hübsch, wohlklingend, unscheinbar. Und so hübsch, wohlklingend, vorsichtig und unauffällig melden sich auf den ersten Blick auch all die Soziokulturellen vom Schlachthof zu einem Thema zu Wort, das sie noch vor ein paar Jahren bestimmt zum Radaumachen und Krachschlagen hingerissen hätte: „Parks in Space“ oder – frei übersetzt – Luftschlösser heißt das Projekt, zu dem Wildgrube sein Windrad und über 20 weitere KünstlerInnen ihre Objekte beigetragen haben. Und die Parallelen sowie Assoziationen zu den beiden Großprojekten Ocean Park in Bremerhaven und Space Park in Bremen-Gröpelingen sind natürlich gewollt.

„Eine Diskussion über die Parks findet in Bremen nicht statt“, stellt Elke Heyduck, die für den Vortrags-teil des groß dimensionierten Projekts verantwortliche Schlachthof-Mitarbeiterin, fest. „Alles wird nur noch unter dem Vorzeichen ,rechnet sich das oder nicht' verhandelt“, sagt sie. Und sie kritisiert auch die Opposition in der Bürgerschaft, die sich vor allem auf das Geld konzentriert und die ästethischen und städtebaulichen Fragen genauso außer acht läßt wie das eigentlich zuständige Bauressort. Erst in dieser Woche hat die Bürgerschaft beschlossen, daß sich Bremen mit 900 Millionen Mark öffentlichen Mitteln an den beiden Großprojekten beteiligt. Die Reaktion auf die Pläne und Beschlüsse sind bislang – zumindest in Bremen – so lautlos, daß Wildgrubes Windrad sie übertönen würde. Und so ist es indirekt doch ein Symbol für die aktuellen Bremer Verhältnisse.

Auch die anderen, kaum einzeln aufzuzählenden 22 Bremer KünstlerInnen, die Vera Kandzia zur Teilnahme eingeladen hat, nehmen eher indirekt auf die aus Entertainment- und Shoppingzonen gemixten Großprojekte Bezug. Edeltraud Rath verziert den Schlachthof-Turm mit ihren aus Barockgärten entlehnten Ornamenten. Der Künstler und (taz-) Fotograf Karsten Joost will mit seinen Waldfotos zeigen, daß Natur und Künstlichkeit nicht mehr zu unterscheiden sind. Doch es sind nicht diese Beiträge, die, so Elke Heyducks augenzwinkernde Befürchtung, den Schlachthof in einen „Kunst- und Freizeitpark“ verwandeln. So haben Piet Schnabel und seine Gruppe Ozram das vor einigen Monaten im Turm ausgestellte „Schwarzlichtaquarium“ jetzt noch einmal im Keller installiert. Da kreisen neonbunte Fische durch den Raum, und gelegentlich räkelt sich eine Nixe in dieser preiswerten und trotzdem spektakulären künstlichen Welt. Ebenso hintersinnig und spektakulär, aber schon beklemmender wirken die Installationen Benjamin Lauterbachs und Jörg Coblenz'. Dessen Installation aus Klangkörpern und Fliegenkillern erzeugt in einem überheizten Raum ein klaustrophobisch-abschreckendes Parkbild. Und Lauterbachs Installation aus 1.800, hoch oben im Turm wogenden Hüten und fast gleich vielen, wie ein Himmel voller Sohlen darüber hängenden Schuhen zeigt erstens, wieviel Arbeit Kunst machen kann. Und sie treibt einem zweitens Schauer über den Rücken, weil seine Park-Vision auch an Bilder aus Lagern – Konzentrationslagern erinnert. ck

„Parks in Space“ vom 22. November bis zum 9. Dezember im Kulturzentrum Schlachthof; Eröffnung am Sonntag um 12 Uhr. Begleitend zur Ausstellung und gleichrangig mit ihr ist das Vortragsprogramm: Ebenfalls bis zum 9. Dezember sprechen StadtsoziologInnen, KünstlerInnen und zahlreiche andere über Park-Begriffe, Kunst und Stadtplanung. Außerdem im Kino 46: die Filme „True Stories“ und „Jurassic Park“.