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Debatte ohne Streitkultur

Auf einer Hauptstadt-Kulturkonferenz suchten Kulturmanager, die mit wenig öffentlicher Unterstützung Projekte realisierten, mögliche Modelle für Berlin  ■ Von Katrin Bettina Müller

Läßt sich New York mit Berlin vergleichen? Seit die Berliner Senatoren dort reihenweise zum Bildungsurlaub antreten, sind Diagramme über das Verhältnis von Subventionen und privaten Mitteln beliebt. Mit Schaubildern zum Etat der New Yorker Philharmoniker und der Metropolitan Opera durfte denn auch James Abruzzo, Kulturmanager aus New York, die „Hauptstadt-Kulturkonferenz“ der Konrad-Adenauer-Stiftung am Mittwoch abend beschließen. Doch daß man an den Opernhäusern in Berlin durch erhöhte Eintrittspreise, private Kulturförderer und Sponsoren den Anteil der öffentlichen Hand wie an der Met unter ein Prozent absenken könnte, wagte nicht einmal Abruzzo zu behaupten.

Notwendig ist die Suche nach „Neuen Kulturmodellen“, wie die Konferenz angekündigt war, durch die Kürzung öffentlicher Gelder einerseits und den Hauptstadt-Anspruch andererseits. So waren Referenten geladen, die entweder wie Abruzzo große Kultur fast ohne Förderung auf die Bühne bringen oder wie Klaus Biesenbach, Direktor der „Kunstwerke“, einem Atelier- und Ausstellungshaus in Berlin-Mitte, der sich in der Off-Kultur mit vergleichsweise wenig Fördermitteln etablieren konnte.

Doch das politische Begehren, Hauptstadtkultur als repräsentative Bühne zu nutzen, sprach Berlins Kultursenator Peter Radunski (CDU), der neben dem Hausherrn Hans-Joachim Veen die Konferenz leitete, genausowenig an wie den Druck, den die Kulturinstitutionen alten Zuschnitts durch die Konkurrenz von Event-Kultur und neuen Medien erhalten. Kulturbegriffe von Investoren standen nicht zur Debatte. Schon deshalb litt die Diskussion über Mobilisierung von Sponsorengeldern an Unglaubwürdigkeit.

Auch die schönen Schaubilder des New Yorker Kulturmanagers fanden keinen Anklang. Denn schon der erste Referent, Alexander Pereira, Intendant der Oper Zürich, hatte mit einem Seitenblick auf die USA moniert, daß die dortige „private Förderung“ aus einer absetzbaren Umwidmung von Steuern stammt und nur wenigen Star-Institutionen zugute komme. Dafür konnte Pereira die Erfolgsstory erzählen, wie man Kultur-Tanker loseist und wieder in Fahrt bringt: In Zürich hat er das Opernhaus in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und die Erlöse aus Eintrittsgeldern von 13 auf 32 Millionen Franken erhöht. Voraussetzung sei eine große Produktivität – 15 bis 17 Premieren im Jahr. Das schaffen in Berlin auch drei Opernhäuser zusammen nicht. Pereiras temperamentvoller Vortrag ließ ahnen, wie er den Eidgenossen die Oper als „Herausforderung, das Größtmögliche aus uns herauszuholen“, ans Herz gelegt hat.

Der einzige Streit der Konferenz entspann sich zwischen ihm und dem österreichischen Intendanten Gerhard Brunner, der vom Kultursenator beauftragt ist, für das Berlin-Ballett durch Unabhängigkeit von der Oper neuen Spielraum zu gewinnen. Das lehnt Pereira ab. Unausgesprochen blieb der Hintergrund dieser Debatte: Pereira wird als möglicher Nachfolger für Götz Friedrich, Intendant der Deutschen Oper, angesehen.

In seiner Einleitung hatte Kultursenator Radunski die innovative Kraft der Freien Szene gelobt und ihre „flexible und kostenbewußte“ Arbeit als Modell angesprochen. Wie sich das mit dem Prinzip „Leuchtturmförderung“ verträgt, fragte niemand. Danach sind allen Umschichtungen zum Trotz die Mittel auf etablierte Institutionen konzentriert. Für freie Projekte bleibt wenig.

Doch in der Rolle des David, der gegen Goliath die Steinschleuder zückt, sahen sich auch die Protagonisten erfolgreicher Off-Kultur nicht. Im Gegenteil, alle Zeichen waren auf Kooperation eingestellt. Klaus Biesenbach beschränkte sich darauf, die „Kunstwerke“ oder das „PS 1“ in New York als wunderbare Ergänzung der Museumslandschaft darzustellen. Und auch Jochen Sandig, Produzent von Sasha Waltz & Guests, der derzeit bekanntesten Tanzgruppe Berlins, erzählte gemeinsam mit Klaus Siebenhaar vom Deutschen Theater zum Thema „Die Bedeutung des Theaters in der Medienwelt“ viel von der Rückbesinnung auf das kollektive Erleben und die Wiederkehr des Authentischen. Gegenüber dem gemeinsamen Gegner neue Medien waren sie sich einig im Verlangen nach vollem Körpereinsatz. Daß die Medienindustrie aber nicht nur eine inhaltliche Herausforderung darstellt, sondern vor allem die ökonomischen Rahmenbedingungen des Theaters verschiebt, blieb unbeachtet.

Man hätte den Referenten mehr von der Kratzbürstigkeit gewünscht, wie sie im Rahmenprogramm von der „Neuköllner Oper“ mit den Liedern „Ich hasse gern“ und „Ich bin sozial total gestört“ besungen wurde. So wurde die einzige Spur von Klassenkampf in dieser gepflegten Arena nur friedlich belächelt.

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