Der Sonderermittler spricht als Zeuge und klagt an

■ Kenneth Starr ist von seiner Arbeit überzeugt und will Clinton aus dem Amt entfernen

Washington (taz) – Der Rechtsausschuß des US-amerikanischen Repräsentantenhauses hat gestern seine Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton aufgenommen. Erster und prominenter Zeuge war kein geringerer als Kenneth Starr, der Sonderermittler. Der verlas zunächst eine 58seitige Erklärung über seine Ergebnisse, seine Methoden und die Anschuldigungen gegen Clinton.

Ergebnis: Sonderermittler Starr ist stolz auf seine Arbeit, hat sich nichts vorzuwerfen und fordert vielmehr vehement die Amtsenthebung des Präsidenten.

Die ausführlichen Erklärungen des Sonderermittlers waren ein Novum. Denn hatte Clinton jede Gelegenheit gehabt, sich zu erklären, war Starr von Amts wegen bisher eigentlich zum Schweigen verurteilt. Ob er sich daran gehalten hat und nicht unerlaubterweise Details an die Presse durchsickern ließ, wird zwar untersucht, aber nicht im Rechtsausschuß.

Gegen den von Demoskopen immer wieder nachgewiesenen Unwillen der Nation, einen Sonderermittler in der Unterwäsche ihres Präsidenten wühlen zu sehen, verteidigte sich Starr: „Dies ist keine Privatsache“, sagte er und fügte hinzu: „Uns haben diese Nachforschungen keinen Spaß gemacht.“ Und trotz des öffentlichen Willens, die ganze Affäre schleunigst zu beenden, bestand Starr darauf, daß Lüge, Meineid und Behinderung der Justiz auch dann Verbrechen seien, wenn es um Privatangelegenheiten und sexuelle Verhältnisse geht.

Es gehe eben auch nicht um Sex, sondern um ein immer wiederkehrendes Muster von Lügen. Clinton habe zudem den ganzen Regierungsapparat und die Macht seines Amtes dazu benutzt, eine Affäre zu vertuschen. Starr schlug den Bogen auch zu seinem eigentlichen und ursprünglichen Auftrag, den unter dem Namen Whitewater bekanntgewordenen Immobiliendeal in Clintons Heimatstaat Arkansas zu untersuchen.

Trotz des jetzt auch durch die Wahlen bestätigten Unwillens der Amerikaner gegen dieses Verfahren scheint der Vorsitzende des Rechtsausschusses Henry Hyde es eher ausweiten als einstellen zu wollen. Sollte Kenneth Starr ursprünglich der einzige Zeuge vor dem Rechtsausschuß sein, so werden jetzt neben den Anwälten und Beratern Clintons auch der Anwalt von Kathleen Willey vorgeladen. Diese Angestellte im Weißen Haus hatte vor Fernsehteams berichtet, wie sie von Clinton im Oval Office begrapscht worden war. Die Republikaner verdächtigen Clinton, er habe auch Willey zu manipulieren versucht, damit sie im Verfahren der Paula Jones wegen sexueller Belästigung nicht die Wahrheit sagt. Das Jones-Verfahren war kürzlich mit einem Vergleich ohne Schuldeingeständnis beendet worden.

Der Ausschuß hat auch ein internes Gutachten angefordert, das ein FBI-Ermittler in Sachen Parteispendenaffäre angefertigt hat. Das Ermittlungsverfahren könnte also über den Fall Lewinsky hinaus ausgeweitet werden. „Erst dachten die Republikaner, sie könnten das Impeachment-Pferd reiten“, sagt dazu Barney Frank, demokratisches Mitglied des Rechtsausschusses. „Jetzt wo das Pferd lahmt, wußten sie erst nicht, ob sie es schlachten oder anmalen und als Zebra vorführen sollten. Es scheint, sie haben sich für letzteres entschieden.“

Dennoch ist unklar, mit welchem Ziel das Verfahren weitergeführt wird. Wenn der Rechtsausschuß binnen eines Monats seine Anhörungen abgeschlossen hat, muß erst der Ausschuß und dann das Repräsentantenhaus über ein Amtsenthebungsverfahren abstimmen. Das fände dann im Senat statt, wo eine Zweidrittelmehrheit nötig wäre, um es durchzusetzen.

Nach den Wahlen von Anfang November, bei denen die Republikaner zwar die Mehrheit in beiden Kammern verteidigten, im Repräsentantenhaus aber Stimmenverluste hinnehmen mußten, gilt die Amtsenthebung als chancenlos. Peter Tautfest