Vierzig verweht

■ Von Lebens- und von Leibesmitte – ein männlich-fester Klagegesang

Wenn's im Knie zu knacken beginnt, die Abstände zwischen den Zähnen größer werden und die Haare in den Ohren schneller sprießen als auf der Kalotte, dann weiß das Menschenmännchen: Die Zeit ist nah, wo es nur noch geduldet wird.

Mit vierzig ist mann zwar Leistungsträger, aber ansonsten alles andere als bemerkenswert. Dabei pumpt er mit religiöser Inbrunst Eisen, trottet endorphinselig um die Alster und pflegt die dynamische Kurzhaarfrisur. Allein, die Schläfen sind noch nicht grau genug, um interessant zu wirken, und der zähe Rettungsring um die Hüften läßt selbst bei angehaltenem Atem die Amica-geeichten Blicke der weiblichen Umgebung in andere Richtungen wandern.

Was tut also der angehende Senex angesichts der sozialen Nichtachtung? Er geht zum Arzt. Blättert sich im Wartezimmer ahnungsvoll durch „Werte senken – besser leben“, „Dem Schlaganfall richtig vorbeugen“ oder gar „Leben nach Maß“. Dann, Aug in Aug mit dem immerhin doch gleichaltrigen Medicus, erhofft er sich Zuspruch. Und muß vernehmen, daß er mit vierzig – medizinisch gesehen – „keine spezielle Zielgruppe darstellt“. Im Gegenteil: Eine „stabile Phase“ sei's, in der er sich befinde.

Das klingt nach mühsam unterdrückter Langeweile. Und in der Tat, wenn er's genau bedenkt, ward nicht unlängst im spätnächtlichen Freundeskreis bekannt, alles werde halt ein bißchen schwieriger. Denkbar, aber halt nur denkbar, konzediert denn auch der Mann in Weiß, sei ein libidinöser Leistungsknick. Das „Klimakterium virile“ eben, eine gewisse Müdigkeit, und vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, Anzeichen für ein erstes Hormontief. Nur, daß die Forschung da erst am Anfang stehe. Immerhin. Zwar spricht man ihnen das Recht auf einen ausgewiesenen Parkplatz ab – den gibt es nur für Mütter, Alte und Behinderte –, aber man hat angewelkten Stürmern und Drängern zumindest einen internationalen Ärztekongreß im mondänen Genf gewidmet. „The Ageing Male“ war dessen nicht gerade zukunftsweisendes Motto.

Kein Wunder, daß die Krankenkassen davon so recht nichts hören wollen. Die Kerngruppe der Beitragszahler möge sich ob ihrer krankengeschichtlichen Nullität gefälligst glücklich schätzen und das talkshow-gängige Gejammere Berufeneren überlassen. Da hilft dann nur noch die Inaussichtnahme einer späterblühenden Männerfreundschaft fischer-schröderischer Prägung. Oder der abgeklärte Blick in die Geschichte. Alexander der Große war mit vierzig immerhin schon sieben Jahre tot.

Heinz-Günter Hollein