Eine fidele Putzkolonne

„Alles im Eimer“: Die Altentheatergruppe „Die Herbst-Zeitlosen“ präsentiert ihre neue Komödie – nur von Frauen  ■ Von Eberhard Spohd

Routiniert bewegen sich die Schauspielerinnen über die Probebühne. Hin und wieder eine kurze Regieanweisung, ein Innehalten – und weiter im Text. Die „Herbst-Zeitlosen“ üben ihr neues Stück ein. „Nehmt eure Kopftücher ab. Ihr müßt euch langsam ausziehen“, fordert die Spielleiterin Hedwig Bumiller ihre Akteurinnen auf. „Wie weit denn heute“, antwortet ihr Edith Weps ein wenig frivol.

Immerhin ist sie eine Dame von 79 Jahren. Damit liegt sie allerdings bei den „Herbst-Zeitlosen“ im guten Mittelfeld. In der Altentheatergruppe spielen acht Frauen im Alter zwischen 62 und 89 Jahren. „Mit allem, was über 80 ist“, erklärt die kurz vor dieser Schwelle stehende Weps, „schmückt man sich.“ Und bekommt sofort die Retourkutsche der 89jährigen Rosl Albrecht: „Und alles, was darunter liegt, kann noch damit kokettieren.“

Hedwig Bumiller kann die gute Stimmung erklären. Die Theaterpädagogin am goldbekHaus in Winterhude betreut die Gruppe seit sechs Jahren. „Vom ersten Stück bis hierher ist es schon eine kontinuierliche Steigerung.“ Die Gruppe kennt sich inzwischen und weiß, wie sie miteinander umzugehen hat: „Wir waren noch nie so harmonisch vor einer Premiere wie dieses Mal“, freut sich das mit 34 Jahren weitaus jüngste Mitglied. „Wir haben ja auch noch zwei Wochen Zeit, uns zu streiten“, erwidert Irmgard Landgraf. Gelächter.

Die Theatergruppe für Seniorinnen fand sich vor elf Jahren zusammen. Edith Weps, die die Idee damals aus Berlin mitbrachte, erinnert sich noch genau: „Der Gedanke kam eigentlich von jungen Leuten, die Straßentheater machten.“ Die spielten ihre Geschichten und kamen darauf, daß die Alten eigentlich noch viel mehr zu erzählen hätten. „Auf die Straße haben sie uns dann zwar nicht gekriegt, aber da haben wir mit dem Theater angefangen.“ Nach dem Umzug nach Hamburg fand sie im goldbekHaus die entsprechende Unterstützung, um zusammen mit ihren Mitstreiterinnen eine Gruppe aufzubauen.

Von Anfang an schrieben die „Herbst-Zeitlosen“ ihre Stücke selbst. „Wir haben eine Idee, mit der wir uns auf die Bühne stellen, und beginnen zu improvisieren“, erklärt Hedwig Bumiller die Methode. Im Laufe der Zeit entsteht der Text und wird bis zur endgültigen Fassung weiterentwickelt. Zumindest fast. „Nach der Premiere“, weiß Marga Mees um die Schwierigkeiten, „kommen die Freunde und kritisieren, was langweilig war. Dann wird umgeschrieben, damit mehr Pep reinkommt.“

Mit fünf Werken waren die „Herbst-Zeitlosen“ nun schon auf Tournee durch Kulturzentren, Kirchengemeinden und auf Theaterfestivals. Das sechste Stück hat Anfang Dezember Premiere. „Das ist in elf Jahren schon eine Menge“, bekennt Irmgard Landgraf, „ich kenne Gruppen, die sind fünf Jahre mit einem Stück unterwegs.“ Zwar sind die „Herbst-Zeitlosen“ nach Premieren meist so abgeschlafft, daß sie eine Erholungspause brauchen. „Aber nach einem halben Jahr fangen wir ein neues Stück an.“ So kam es, daß vor eineinhalb Jahren mit der Arbeit an „Alles im Eimer?“ begonnen wurde.

„Beim Stück davor ging es um das Thema Zukunft“, kommt Hedwig Bumiller auf das Konzept der neuen Komödie zu sprechen, „und wir fragten uns: Was kann denn danach noch kommen?“ Das Lachen, befand die Truppe und von da ab entwickelte sich „Alles im Eimer?“ kontinuierlich fort. Das Stück spielt in einem Sanatorium. Die fröhliche Insassin Sophie will die trübselige Katharina aufmuntern, was ihr aber nicht so recht gelingt. Also bietet sie ihr eine Wette an: Sie wird Katharina zum Lachen bringen. Gelingen soll dies durch die fidele Putzkolonne des Heimes. Der gaukelt sie vor, daß zum 25jährigen Betriebsjubiläum des von allen Putzen verehrten Dr. Bauchschneider ein kleiner Auftritt erwartet werde. „Eigentlich geht es darum, daß die Frauen jeden Tag die Klos putzen müssen und entdecken, daß das Leben dennoch Qualitäten hat und fröhlich ist“, interpretiert Edith Weps. Und fügt hinzu: „Eigentlich sehr banal. Lache, und die Welt lacht mit dir, schnarche, und du schläfst allein.“

Ein wesentlicher Bestandteil der Theaterarbeit ist die sanfte Regie. „Dafür muß jede darauf achten, daß die andere zur Geltung kommt und ihr Stichwort weiß“, sagt Irmgard Landgraf. „Bei normalen Theatern werden nach dem Stück die Vorhänge gezählt. Das gibt es bei uns nicht.“ Schließlich sei man eine Gruppe und auch schon in einem Alter, in dem man sich gegenseitig stützen müsse. „Wenn eine zu früh von der Bühne geht, dann findet sich immer eine, die sie wieder holt“, erzählt Edith Weps von einem Mißgeschick ihrer ältesten Kollegin. Und alle waren dann überrascht, wie professionell die ihren Fehler überspielte. „Sie kam ganz locker zurück und sagte: 'Ach, ich dachte, ich werde hier nicht mehr gebraucht.'“ Wurde sie doch, und wird sie auch weiterhin.

„Alles im Eimer?“ hat am 4. Dezember um 20 Uhr im goldbekHaus Premiere; eine zweite Aufführung findet am 5. Dezember um 19 Uhr statt. Eintritt 15, ermäßigt 12 Mark, Kartenvorverkauf in den Kartenhäusern Gertigstraße und Schanzenstraße und im Büro goldbekHaus, Moorfuhrtweg 9.