Weinprobe
: Ein Pfälzer in der Toskana

■ Nüchterne Nummern statt klangvoller Namen: Fritz Croissants authentische Toskana-Weine

Belächelt haben sie ihn. „Der spinnt eh rum, lassen wir ihn weiter spinnen, er wird schon sehen, was dabei rauskommt“, erinnert sich Fritz Croissant an die Reaktionen der Winzernachbarn. War es schon seltsam genug, daß ein Pfälzer sich Weinland in der Toskana zulegte – noch kurioser mochte es den alteingesessenen Kollegen anmuten, daß der Neue von Anfang an auf Bioanbau setzte.

All das spielte sich Mitte der 80er Jahre ab, zu einer Zeit, da ambitionierte toskanische Weinerzeuger sich gerade anschickten, den ramponierten Ruf der Region aufzubessern. Symbol des Abstiegs, viele werden sich erinnern, war die pittoreske bastumflochtene Einskommafünfliter- Chianti-Classico-Flasche für 3,99 Mark. Unwürdig, fanden einige Produzenten und fingen an, darüber nachzudenken, wie denn ein richtiger Toskana-Wein schmecken müsse. Sie ignorierten die verkommenen Vorschriften, entwickelten eigene Qualitätskriterien für klassische toskanische Weine und mit ihnen neue Schöpfungen, die, auf Phantasienamen wie Tignanello, l'Eremo oder Anfiteatro getauft, bald als „Supertuscans“, Supertoskaner, ihren Siegeszug um die Welt antreten sollten.

Fritz Croissant, auf seinem Weingut Vignano mitten in diesen Aufschwung hineingefallen, war bescheidener, vor allem was die Namen seiner Weine anging. Keine Namen, sondern Nummern gab er ihnen. Bei „eins“ anzufangen, da war jedoch das Wettbewerbsrecht vor, würde „eins“ doch suggerieren, die sei die Nummer 1, der beste Wein also. Geht nicht, verboten. Ebenso Nummer zwei: noch zu nah an Nummer eins. Also beginnt Croissants Rotweinpalette mit Numero 3, einem leichten, jung zu trinkenden Wein für alle Tage. Die Numero 4 ist besonders interessant: Ein traditioneller Chianti, wie ihn heute kaum noch jemand macht, weil mittlerweile fast alle meinen, die alte Machart habe sich überholt – siehe Bastflechtwerk. Croissant aber setzt auf die alte Mischung aus 85 Prozent Sangiovesetrauben, 10 Prozent Malvasia und noch einem bißchen Canaiolo und Trebbiano. Heraus kommt im 96er Jahrgang einer der ehrlichsten Chiantis, die ich in letzter Zeit getrunken habe. Feiner Kirschduft, schöne Frucht, gut eingebundene Tannine – viele der „neuen“, modernen Chiantis haben derer viel zuviel. Eine feine Sache zu den klassischen Pastagerichten (11,80 DM).

Die Numero 5 (Jahrgang 1995) ist kompromißloser: Aus 100 Prozent selektierten Sangiovesetrauben und 15 Monaten Holzfaßreife entwickelt sich ein zunächst zartduftiger, dann kraftvoller, gleichwohl nicht zu wuchtiger Wein, ein guter Gefährte für einen dieser langen Novemberabende (14,80 DM). Dazu: Hobelspäne aus altem Parmesan.

Damit ist Croissants Weinliste noch längst nicht beendet, es folgen Kreszenzen, die eher in Richtung „Supertuscan“ streben, der ebenfalls reinsortige, 12 Monate barriqueausgebaute Sangiovese Nr. 15 etwa. Beim Vinum-Weinsalon in Hamburg schmeckte er (vom 95er Jahrgang) der Jury besonders gut.

Die Numero 13 schließlich wird aus der Toskana-untypischen Pinot-Noir-Traube gekeltert und ebenfalls im Barrique gelagert. Den Verkostern des renommierten Italo-Weinführers „Gambero Rosso“ war der 94er eine lobende Erwähnung wert. Fritz Croissant hat Grund zum Lächeln. Eberhard Schäfer

Die Vignano-Weine von Fritz Croissant gibt es in den Geschäften der Weinhandlung Bohn & Heß, Goltzstr. 23, Berlin-Schöneberg, Tel.: 216 77 18, und Stresemannstr. 28 (Tel.: 25 29 91 61, Kreuzberg, im Willy-Brandt- Haus). Sehr eingeschränkte Öffnungszeiten, vorher anrufen.