Der Hausherr baut mit Mist

In Mahlsdorf mischt, stampft und preßt sich ein Tischler sein modernes Fachwerkhaus mit Lehm. Experimente mit Kuh- und Pferdemist gehören zum Alltag  ■ Von Eva Kaspar

In Mahlsdorf, eine halbe Stunde von der Friedrichstraße immer nach Osten, baut Tilman Morgeneyer sein Lehmhaus. Senkrechte Holzstiele aus Douglasie, dazwischen Lehm – ein erdiges Haus entsteht hier auf dem Grundstück der Familie, das der Urgroßvater Ende des letzten Jahrhunderts für den Obstanbau gekauft hatte. Ungewöhnlich präsentiert sich auch der Bauherr: nicht gestreßt, mit Sorgenfalten auf der Stirn, sondern ruhig und überlegt, zufrieden mit seinem Werk.

Ursprünglich wollten der 27jährige Tilman und seine Frau Inka für sich und die beiden Kinder ein Fertighaus, schlüsselfertig – so, glaubten sie nach der Wende, kam man zum Eigenheim. Doch Tilmans Arbeitskollege, ein Baubiologe, riet ihm ab. Zu viele verschie- dene Materialien, vom Gipskarton bis zur Mineralfaser mindestens vier bis fünf allein in einer Wand, das erschien auch Tilman unüberschaubar. Von einem Freund bekam er ein Lehmbaubuch. Fasziniert von der Einfachheit der Materialien, der Durchschaubarkeit der Technik, stand bald für ihn fest, daß sein Haus ein Holzleichtlehmhaus werden mußte: „Ich wollte was Dauerhaftes.“

Die Kostenschätzung des Architekten belief sich auf 520.000 Mark für 146 Quadratmeter Wohnfläche. Tilman hatte nur 350.000, ein Familiendarlehen aus dem Verkauf eines Teils des Grundstücks des Urgroßvaters. Bankkrediten traut Tilman nicht: „Das mit dem geborgten Geld, das ist mir zu heikel.“

Also was tun? Tilman entschloß sich, sein Haus selbst zu bauen. Bauen nur am Feierabend und am Wochenende, und das über Jahre, kam für ihn nicht in Frage. Zu oft hatte er erlebt, wie die Familien anderer Bauherren daran zu Bruch gingen. Er ließ sich von seinem Arbeitgeber beurlauben und legte los.

Ein Lehmhaus, empfindlich, wie es gegen Feuchtigkeit ist, muß es mit „Hut und Stiefel“ vor Regen und Nässe geschützt werden. Dem feuchten Grundstück angepaßt, steht das Haus auf 87 „Stiefeln“, Betonpfeilern, und schwebt so 30 Zentimeter über der Erde. Holzgerüst des Fachwerks und Dachstuhl richtete der Zimmermann auf, das Dach deckte der Dachdecker mit Tonziegeln – ein weit herauskragendes Dach, ein Hut mit einer breiten Krempe. Zwischen den Holzstielen spannen sich diagonal verlaufende Stahlseile zur Aussteifung der Wände. Schräge, sichtbare Holzverstrebungen, die statt dessen im Fachwerkbau üblich sind, paßten für den Bauherrn Tilman nicht in sein rechteckiges Haus.

Tilman war inzwischen Experte im Lehmbau – zumindest theoretisch. Er hatte die drei Bücher der „Lehmbaupäpste“ studiert, hatte sich umgehört, mit diesem und jenem gesprochen. Fachleute fand er im Lehmbaukontor – Berlin/Brandenburg e.V., auf deren Wissen und Erfahrung er während des Baus immer wieder zurückgriff (Kasten Seite 33). Und er hatte zwei Lehmbauherren aufgespürt, die in Eberswalde und Hannover mit Leichtlehm bauten.

In der Praxis probierte Tilman aus: Steine oder Stampflehm, Kuhmist oder Pferdemist, mischen und immer wieder mischen. Es wurde ein Stampflehmhaus, außen Holzleichtlehm zur Wärmedämmung, innen Massivlehm zur Wärmespeicherung.

Für den Holzleichtlehm mischte er vier Eimer trockene Holzhackschnitzel mit einem Eimer Lehm in einer alten Bäckerknetmaschine, die er sich für 350 Mark besorgt hatte. Das Mischungsverhältnis hatte er schnell raus, nach dem Prinzip: „Lehm muß so gemischt werden, daß er frisch in der Hand zu einer Kugel geformt, die Kugel gerade noch bestehen bleibt, wenn man die Hand öffnet.“ 33 Zentimeter dick ist Tilmans Außenwand und genügt so den Anforderungen der Wärmeschutzverordnung. Bei den Innenwänden und Decken war es Massivlehm, für den er sich entschied – seine „Trägheit“ gefällt ihm: im Sommer langsam warm werdend, geben die Wände die Wärme im Winter langsam wieder in den Innenraum ab. Behaglichkeit – ein Trumpf des Lehmbaus.

Im oberen Teil der Wände ist es schwieriger zu stampfen, es ist kaum Platz durch die darüberliegenden Deckenbalken. Die Materialien für den Stampflehm wurden deshalb in eine vom Lehmbaukontor geliehene Handpresse gefüllt, gepreßt und vier Wochen abgedeckt im Freien getrocknet – fertig waren die Steine.

Geputzt wird mit einer Mischung aus Lehm, Sand, Strohhäcksel und Pferdedung. Stoßfest wird der Lehmputz durch die Zusätze, Risse während des Trocknens werden verhindert. Nicht nur der Pferdedung ist „Abfall“, den andere gern loswerden. Der Lehm ist Teil des Aushubs eines anderen Neubaus, drei Kilometer entfernt von Tilmans Baustelle, die Holzhackschnitzel stammen aus der nahe gelegenen Sägerei, die Bäckereimaschine hatte für ihre ursprünglichen Zwecke ausgedient.

So steht nun das Haus einträchtig neben der Blutbuche des Urgroßvaters, als wenn es schon immer dort gestanden hätte. Erde und Bäume im Obstgarten, Lehm und Holz im Haus: Einklang von innen und außen, von Natur und Menschgemachtem. In drei Wochen wird die Familie Morgeneyer ins Erdgeschoß einziehen – die Arbeit am Lehmhaus geht allerdings noch weiter.