Ein liebenswürdiger Ermittler

Vor dem Rechtsausschuß des Repräsentantenhauses haben es die Demokraten geschafft, Kenneth Starr zum Gegenstand des Verfahrens zu machen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Am Donnerstag hörte die Nation erstmals die Stimme des Sonderermittlers Kenneth Starr und sah mehr von ihm als die flüchtigen Fernsehbilder vom Ein- und Aussteigen in einen Dienstwagen. Zwei Stunden lang trug Starr die Anklagepunkte gegen Präsident Clinton zusammen – und wurde anschließend zwölfeinhalb Stunden lang von Mitgliedern des Rechtsausschusses sowie von Anwälten der demokratischen und republikanischen Seite befragt.

Wer einen Sex-Inquisitor, einen Saint-Juste oder Robespièrre der Moral erwartet hatte, war getäuscht. Starr sprach ruhig, selbstsicher, unaufgeregt, freundlich mit einem leicht ermüdenden Singsang in der Stimme – wie ein Klassenprimus, der beweisen will, daß nicht er, sondern der, den er verpetzt hat, der Bösewicht ist.

Zwölf Stunden lang verlor er weder Fassung noch Geduld. Alle Fragen beantwortete er mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit, als wollte er noch den schärfsten Frager zum Freund gewinnen. Den persönlichen Anwalt Clintons, David Kendall, der ihn regelmäßig mit „Missster SSStarr“ förmlich anzischte, sprach er seinerseits stets gewinnend mit „Dave“ an.

Mit keinem Wort gingen die Demokraten auf die Anschuldigungen ein, die Starr gegen Clinton erhoben hatte: „Zwischen Dezember 1997 und August 1998 hat der Präsident ein Dutzend Gelegenheiten gehabt, die Wahrheit zu sagen, und zog es jedesmal vor zu lügen.“ Die Demokraten wollten über etwas ganz anderes reden. Ob Starr nicht befangen gewesen sei, weil seine Anwaltsfirma die Tabakindustrie vertrat, der Clinton den Krieg erklärt hatte, und weil er Kontakte zu den Anwälten der Paula Jones hatte und seine Zeugin Linda Tripp mit ihnen kooperierte.

Ein einziges Mal verlor Starr die Fassung – als ihm die Abgeordnete Zoe Lofgren drei einfache Fragen vorlegte: Wann er zum ersten Mal davon erfahren habe, daß es Tonbandaufzeichnungen von einer Frau gibt, die über ihr Verhältnis zu Clinton plaudert; wann der erste Kontakt mit dieser Frau – Linda Tripp – stattfand und ob er bereit sei, alle Journalisten von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, damit geklärt werden kann, wer welche Informationen unerlaubterweise lanciert hat.

Starr hat einen guten Eindruck gemacht, steht aber als jemand da, der offenbar kein Empfinden dafür hat, wie sich seine Untersuchungen im politischen Kontext ausnehmen. Den Demokraten ist es gelungen, Starr zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß Starr aus der Anhörung unbeschädigt hervorgegangen ist. Peter Tautfest