Ohne Läuseschein kein Dach über dem Kopf

■ Die Kältehilfe von Kirchen und freien Trägern für Obdachlose reicht schon jetzt nicht aus. Wer unregistriert auf der Straße lebt, hat es besonders schwer, nachts unterzukommen

Nach dem heftigen Wintereinbruch am Wochenende – die Nacht zum Sonntag war die kälteste Novembernacht seit zehn Jahren – ist die Kältehilfe für Obdachlose bereits an ihre Grenzen gelangt. „Unsere Winter-Notübernachtung in Tiergarten ist auf 40 Plätze angelegt“, sagt Ortrud Kubisch von der Berliner Stadtmission, „in den vergangenen kalten Nächten beherbergten wir aber schon mehr als 60 Personen pro Nacht.“

In Berlin leben nach Senatsschätzungen derzeit 2.000 bis 4.000 Menschen auf der Straße. Bei den Sozialämtern sind außerdem 8.500 Menschen als Wohnungslose registriert, die in Pensionen und Notunterkünften schlafen.

Auch der sozialpolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, Michael Haberkorn, kritisiert, daß es zuwenig Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose gibt. „Die Registrierten kommen meistens unter“, sagt er. Problematisch sei es bei denen, die unregistriert auf der Straße lebten und somit durch alle Raster fielen. Da die Kältehilfe in der Verantwortung der Bezirke liege, sei das Angebot von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich und „sehr verworren“, so Haberkorn.

Die Kältehilfe wird von Kirchengemeinden und freien Trägern organisiert. Die Obdachlosen kommen in Notunterkünften, teilweise aber auch nur in Nachtcafés, unter. Diese sind nicht durchgehend geöffnet, kritisiert Haberkorn. Die Berliner Stadtmission sammelt seit dem 1. November in fünf Nächten in der Woche unregistrierte Obdachlose auf. „Staatliche Notübernachtungen nehmen die Obdachlosen nur mit Läuseschein auf, das heißt, sie beherbergen nur solche ohne ansteckende Krankheiten“, erklärt Ortrud Kubisch. Sie rechnet für den Winter mit einem noch größeren Andrang. Bereits im vergangenen Jahr seien bis zu 200 Personen in einer Nacht in einer Notübernachtung betreut worden.

Haberkorn sprach sich gegenüber der taz gegen die nächtliche Öffnung von U-Bahnhöfen für Obdachlose aus. Das sei zu aufwendig. Statt dessen sollte das Kälte-Hilfs-System optimiert werden. Die BVG hatte es in den vergangenen Wintern abgelehnt, die U-Bahnhöfe als Schlafplätze zur Verfügung zu stellen. dpa/nau