Wer sich einmischt, wird bestraft

■ Gebürtiger Libanese, der die Dienstnummern von zwei Polizisten verlangte, die einen Musiker rüde behandelten, wurde wie Schwerverbrecher behandelt. Polizeipressestelle übt Kritik an Anzeige wegen versucht

Es war Freitag, der 13. November, und der Tag brachte für Masen Haboush nichts Gutes. Als er gegen Mittag an der U-Bahn-Station Yorckstraße umstieg, wurden er und vier weitere Passagiere Zeugen, wie ein BVGler und zwei Polizisten einen Musiker aufforderten, den Bahnhof zu verlassen. Als der 20jährige Tischlerlehrling sah, wie der Musiker seine Gitarre zur Seite legen wollte und von einem Polizisten am Hals gepackt, an den Haaren gezogen und mit Handschellen gefesselt wurde, tat er das, was auch von der Polizei gefordert wird: einmischen statt wegschauen. Doch als der gebürtige Libanese, der seit 1991 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wie die anderen deutschen Zeugen die Dienstnummer der Beamten verlangte, wurde er in seine Grenzen gewiesen.

Während den anderen Zeugen anstandslos die Dienstnummern ausgehändigt wurden, wurde er mit einem Schlagsock bedroht und in einen Dienstraum der BVG gebracht, wo ihm ebenfalls Handschellen angelegt wurden. Er durfte weder telefonieren noch mit den Zeugen reden, die bis vor den Dienstraum gefolgt waren und dort warteten. Unter Ausschluß der „Zeugenöffentlichkeit“ sagte ein Beamter zu ihm: „So, jetzt sind keine Zeugen hier. Wenn du nicht deine Fresse hältst, dann passiert was, und keiner kann dir helfen.“

Kurz darauf betraten sieben weitere Polizeibeamte den Raum, nahmen seine Personalien auf und überprüften die Papiere des tschechischen Musikers. Anschließend wurden die beiden mit einem Polizeiwagen auf eine Wache in Lankwitz gebracht. Auf dem Weg dorthin, so Haboush, sei der Tscheche, der kein Deutsch konnte, von den Beamten „von vorne bis hinten beleidigt“ worden.

Auf der Wache wurde Haboush in eine unbeheizte Zelle gesteckt, wo er sich entkleiden mußte. Jacke, Gürtel, Schuhe und Geldbörse wurden ihm abgenommen. Telefonieren durfte er nicht. Nachdem man ihn fotografiert und ihm Fingerabdrücke abgenommen hatte, wurden ihm die Dienstnummern ausgehändigt.

Sein Einmischen hat ihm eine Anzeige wegen versuchter Gefangenenbefreiung eingebracht. Selbst die Mitarbeiter der Polizeipressestelle können das überzogene Verhalten der Beamten nicht nachvollziehen. Denn in der Begründung der Anzeige heißt es lediglich, daß er einen Beamten am Pulli gezogen und ihm gesagt habe: „Laß ihn los! „Geb ihn raus!“

Vier Tage nach dem Vorfall hat Haboush einen Beschwerdebrief an den Polizeipräsidenten geschrieben und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beiden Beamten eingereicht. In dem Schreiben, in dem er den obigen Vorfall schildert, schreibt er: „Ich finde es skandalös, daß ich wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde, nur weil ich von meinem Recht Gebrauch machte, zwei Beamte nach ihren Dienstnummern zu fragen, die brutal gegen einen wehrlosen Straßenmusiker vorgegangen sind.“ Haboush vermutet, daß sein „nichtdeutsches Aussehen“ der Grund dafür war, daß er wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde und die anderen Zeugen die Dienstnummern erhielten. „Es waren eben ,Deutsche‘.“ Barbara Bollwahn de Paez Casanova