„Vielleicht kaufen wir ja wen zu Weihnachten“

■ In Kaiserslautern hat nach dem 1:0 gegen Dortmund das Fest der Freude schon begonnen

Kaiserslautern (taz) – Am 7. Dezember kommt der verspätete Nikolaus auf den Betzenberg und bringt den Mitgliedern des Deutschen Meisters die Rute mit und einen großen roten Sack. Der ist aber nicht mit Geschenken gefüllt, sondern mit einer gar bösen Überraschung. Denn zukünftig, so haben es die Herren Aufsichtsräte und Vorstände beschlossen, sollen die inzwischen mehr als 10.000 Mitglieder weder direkt noch indirekt mitbestimmen bei der Zusammensetzung des Vorstandes. Wählen sollen sie dann nur noch den Aufsichtsrat, der dann nach eigenem Gusto einen professionellen Vereinsvorstand bestellt.

Sorge darum, daß dieser Coup gegen die Demokratie im Verein schief gehen könnte, muß keiner haben. Denn auch Trainer Otto Rehhagel mit seiner Allmacht steht hinter den Plänen seiner Freunde. „Wenn der 1. FCK da nicht mitzieht und sich nicht weiter entwickelt, kann er wieder gegen den VfR Kaiserslautern spielen. Aber ohne mich!“ gab der Coach öffentlich bekannt, wem seine Sympathien gehören. Und das Volk johlte und feierte seinen Götzen. Wie sollte auch einer widersprechen, ist doch die vorübergehend miese Stimmung umgeschlagen, denn plötzlich klappt es wieder und man darf sich so fühlen, als sei man wieder wer.

Beim 1:0 gegen die starke Borussia aus Dortmund waren die Lauterer zwar die siegreiche, aber keineswegs die bessere Mannschaft. Hinterher waren sich fast alle einig, daß die Gäste einen Punkt verdient gehabt hätten. Klappte aber nicht, weil Schiedsrichter Albrecht Alfred Nijhuis ein der Regel entsprechendes Tor aberkannt hatte. Auf der Gegenseite versagte der Referee Andreas Buck einen Elfmeter.

Jürgen Kohler, der ja nur wenige Kilometer von Kaiserslautern entfernt in Lambsheim aufgewachsen ist und einst zum feindlichen Lager des SV Waldhof gehörte, hat allerhand Frust aus seiner fußballerischen Bundesliga-Frühzeit mit nach Dortmund genommen. Jedenfalls war er nach dem Spiel ziemlich angefressen. Ihn ärgerte das „nicht gegebene, reguläre Tor“, und vor allen Dingen fuchste ihn, daß er wieder einmal den Betzenberg als Verlierer verlassen mußte. „Der Samir hat doch den Salou ständig am Trikot gezerrt“, wurde Kohler nicht müde, jedem Reporter das gleiche ins Mikro zu sprechen. „So ist das halt auf dem Betzenberg“, beklagte der Schlappner-Zögling die Ungerechtigkeit der Fußballwelt.

Das vierte 1:0 in Folge hat dem 1. FCK zwar keine dem Punktestand adäquate Tordifferenz beschert, aber der Höhenflug der Lauterer bei gleichzeitigen Ausrutschern der Münchner Clubs, von den Durchhängern der Mannschaften dahinter einmal abgesehen, ist fast schon beängstigend für die ersten drei. Weder Bayer Leverkusen noch die Münchner Teams sind hoffnungslos enteilt. Ganz im Gegenteil: Alle drei müssen in der Rückrunde auf den Betzenberg. Und wie sagte doch Otto Rehhagel: „Vielleicht kaufen wir noch jemanden zu Weihnachten!“ Daß das Objekt Rehhagelscher Begierde Thomas Häßler sein wird, ist allerdings kaum anzunehmen, denn für den sensiblen Mann im Mittelfeld haben die Lauterer schlicht keine Verwendung. Auch nicht nach Sforzas Wechsel auf den Posten des Libero. Das von ihm hinterlassene Loch füllen Hristow, Marschall und Riedl mit Freude und äußerst kompetent.

Ein stiller Dortmunder Borusse, der wieder einmal nur auf der Bank saß und sich mal kurz warm laufen durfte, muß dies mit viel Wehmut wahrgenommen haben: Thomas Hengen, auf dem Betzenberg groß geworden, von Trainer Friedel Rausch weggeekelt, mit Lautern und dem Karlsruher SC abgestiegen, scheint auch Michael Skibbe und Borussia Dortmund kein Glück zu bringen. Günter Rohrbacher-List

Borussia Dortmund: Klos – Nijhuis, Reuter, Kohler – Baumann (86. Timm), Ricken (78. Häßler), Freund, Möller, Dede – Salou (59. Chapuisat), Barbarez

Zuschauer: 42.000; Tor: 1:0 Reich (77.)

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Sforza – Ramzy, Samir – Buck (46. DeJesus), Roos, Hristow, Riedl, Reich (84. Ballack) – Marschall, Rösler (70. Rische)