Entrüstung über Serbiens Kosovo-Plan

Belgrads Plan zur Lösung des Kosovo-Konflikts stellt das Abkommen zwischen Milošević und Holbrooke in Frage. Derweil übernimmt die Kosovo-Befreiungsarmee wieder die Kontrolle über große Gebiete  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Zwar ist im Kosovo kein Kompromiß in Sicht, dafür gibt es aber immer mehr Pläne für eine „friedliche Lösung“ des Konflikts in der umkämpften Provinz. Am Samstag stellte die serbische Regierung in Belgrad ihren eigenen lange erwarteten Plan vor und löste damit eine Welle der Entrüstung unter internationalen Vermittlern aus.

Der Plan stehe nicht nur im krassen Gegensatz zum amerikanischen Entwurf für die Provinz, sondern stelle das Abkommen zwischen Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević und dem amerikanischen Chefunterhändler Richard Holbrooke auf den Kopf, sagte ein in Prishtina stationierter OSZE-Beobachter der taz. Serbiens Präsident Milan Milutiović sagte hingegen vor Polizeioffizieren, der Plan erfülle das von Milošević und Holbrooke ausgearbeitete Konzept, das selbstverständlich die serbischen Interessen im Kosovo schütze.

So sieht Serbiens Plan zwar die Wahl eines Präsidiums im zu über 90 Prozent von Albanern bewohnten Kosovo vor. Doch darin sollen „Vertreter aller Volksgruppen“ – also Serben, Montenegriner, Türken, Muslime, Roma, Goranzi, Ägypter und natürlich auch Albaner – gleichberechtigt und nicht proportional vertreten sein. Damit wäre nur jedes achte Jahr ein Albaner an der Spitze der Provinz.

Zwar sieht der serbische Plan auch vor, daß Gemeinden eine lokale Polizei im Verhältnis zur Bevölkerungszusammensetzung aufstellen dürfen. Doch Polizisten einer Nationalität sollen nicht gegen Mitglieder anderer Gemeinschaften vorgehen dürfen. Alle Polizisten müssen in serbischen Polizeischulen ausgebildet werden und sich „bei Bedarf“ der Kontrolle der „staatlichen Polizei“ unterstellen. Jede nationale Gemeinschaft könne eigene Gerichte gründen, aber nur für Familienrecht und kleinere Delikte. Österreichs Botschafter in Belgrad und EU-Sonderbeauftragter für Kosovo, Wolfgang Petritsch, sagte dazu nur diplomatisch, es sei „keine Zeit für neue Konzepte“.

Im schon schneebedeckten Kosovo konnte Holbrooke, der einen Nato-Einsatz als überzeugendstes politisches Argument ausspielte, wenigstens erreichen, daß sich die serbische Polizei größtenteils aus der Provinz und sich das jugoslawische Heer in die Kasernen zurückzog. Albanische Flüchtlinge sind in ihre Dörfer zurückgekehrt. Eine große humanitäre Katastrophe konnte so gerade noch verhindert werden. Die „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UCK) mischt sich weiterhin nicht in das politische Geplänkel ein, tötete am Wochenende aber in mehreren Terroranschlägen zwei serbische Polzisten, verwundete acht und entführte einen. Darauf entführten Serben im Kosovo, die „auf den Schutz des Staates nicht mehr rechnen“, zehn angesehene Albaner, die sie gegen entführte Serben austauschen wollen. 270 Serben sollen sich in den Händen der UCK befinden.

Die UCK besetzt inzwischen wieder große Gebiete im Kosovo, aus denen sie die serbische Polizei verdrängt hatte. Die internationalen Beobachter schauen machtlos zu. Sie haben ein Mandat zur Kontrolle der serbischen Polizei und Armee, nicht aber der UCK. „Wir haben keine Ahnung, wie wir reagieren sollen, wenn die UCK Schwierigkeiten macht“, sagt ein neu eingetroffener OSZE-Beobachter. Berichten zufolge nutzt die UCK das Vakuum, um sich für eine Fühjahrsoffensive zu rüsten.