Aus deutschen Landen frisch am Kiosk

Das neueste Titelbild des „Spiegel“ knüpft an alte, schlechte Gewohnheiten an. Statt wie einst 1991 mit einem vollen Boot zu werben wird jetzt gefragt: „Zu viele Ausländer?“ Eine Analyse des kopflastigen bunten Covers  ■ Von Christian Semler

Berlin (taz) – Dem Spiegel ist in seiner jüngsten Ausgabe eine zwar unfreiwillige, aber dennoch nicht üble Selbstcharakterisierung gelungen. Anläßlich seiner Titelgeschichte „Zu viele Ausländer?“ verweist das Magazin darauf, daß der aus den 30er Jahren stammende Schweizer Flüchtlingsabwehr-Slogan „Das Boot ist voll“ zu Anfang der 90er Jahre in der Debatte um den Asylkompromiß „von den Rechten recycelt“ wurde. Wie die Abbildung des Spiegel-Titels vom 9. September 1991 beweist, ist jetzt klar, wen die Redaktion von heute mit den Rechten von damals meinte.

Die Schlagzeile auf dem Titelblatt dieser Woche ist mit einem Fragezeichen versehen. Aber etwaige Zweifel, ob es nicht vielleicht zuwenig statt zuviel Einwanderung gibt, werden durch die Gestaltung des Titelblatts beseitigt. Wie Kohlköpfe sprießen aus der deutschen Muttererde Vertreter fremder Ethnien hervor. Wo einstmals, im Norden, blonde Flachs- und im Süden dinarische Eierköpfe das Bild der ethnographischen Landkarte bestimmten, ist jetzt nichts als Fremdartiges zu erblicken. Wie auf einem Gemälde des Manieristen Arcimboldo definieren die ausländischen Köpfe den Körper unseres Vaterlandes. Armes Deutschland – es verliert nicht nur sein Blut, sondern auch seinen Boden.

Und welche Köpfe! Weit davon entfernt, so etwas langweiliges darzustellen wie in Deutschland real existierende Ausländerköpfe, haben die Titelblattdesigner des Spiegel nach älteren Ausgaben des Neckermann-Katalogs für Fernreisen gegriffen. Am ehesten trifft der blutsmäßige Deutsche noch auf das bestickte muslimische Käppi, das auch hierzulande zu Zeiten des Gebets getragen wird. Auch den Strohhut, der eine Indianerin schmückt, kann man ab und an bei peruanischen Musikgruppen in unseren Innenstädten entdecken. Aber um die afghanische Kopfbekleidung, den pakistanischen Turban oder das kunstvoll gebundene kurdische Kopftuch zu finden, muß man schon weite Expeditionsreisen unternehmen. Die Kopfbekleidung signalisiert etnisch-kulturelle Identität bzw. Differenz. Wir sollen Lust am Exotismus empfinden – und Angst vor dem unbegreiflich Fremden in unserer Mitte.

Bedeutsam ist auch die Aufteilung der Ausländer nach Altersgruppen und Abstammung auf Deutschlands Regionen. Im Süden, im Voralpengebiet und in Schwaben, sind die Kleinen massiert, schließlich handelt es sich hier um eine expandierende Industrieregion. Und falls die Kids trotz günstiger Entwicklungschancen doch straffällig werden sollten, bietet die Entfernung aus Deutschland keine Probleme. Welch schreckliche Überalterung hingegen in Brandenburg, am deutschen Oderufer! Weit westlich, so in der Düsseldorfer Ecke, im Japsen- Zentrum, sehen wir den freundlichen Gesamtasiaten (ohne Zopf!). Aber in der Mitte, im Blickfang, direkt unterhalb der Schlagzeile, dräut der finstere Afghane. Huntington hilf!