Blüm-Ministerium schadete Arbeitslosen

■ Unter Norbert Blüm (CDU) erließ das Bundesarbeitsministerium eine Anweisung an die Bundesanstalt für Arbeit: Wer eine Abfindung erhielt, dem wurde zeitweise die Arbeitslosenhilfe verweigert. Jetzt kö

Bremen (taz) – Abfindungen als Ausgleich für den Verlust der Arbeitsstelle dürfen künftig nicht mehr auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden. Mit dieser Entscheidung kassiert jetzt das Bundesarbeitsministerium eine Dienstanweisung der Bundesanstalt für Arbeit vom 14. Juli 1997. Künftig sind damit Abfindungen bis zu einer Höhe von 10.000 Mark wieder fünf Jahre lang vor dem Zugriff der Arbeitsämter sicher. Die seit Anfang 1998 gängige Praxis, die jetzt verändert wird, hatte zur Folge, daß Langzeitarbeitslose nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes teilweise ohne Geld dastanden. Grund: Die Monate zuvor gezahlte Abfindung wurde mit der Arbeitslosenhilfe verrechnet und die Zahlung teilweise wochenlang ausgesetzt. Nach Angaben einer Sprecherin aus dem Arbeitsministerium hat es sich dabei um eine „falsche Rechtsauslegung der Bundesanstalt für Arbeit“ in Nürnberg gehandelt. Diese hatte die Vorschrift gestrichen, daß „Abfindungen nach dem Kündigungsschutzgesetz sowie Abfindungen, die anläßlich von Betriebsstillegungen gewährt werden“, freigestellt sind. „Nach Paragraph11 Sozialgesetzbuch 1 dürfen diese Abfindungen aber nicht angerechnet werden, weil sie nicht als verwertbare Sozialleistung ausgelegt werden können“, heißt es jetzt aus dem Ministerium. In Nürnberg weist man diesen „Fehler“ von sich. In einer Erklärung beruft man sich auf ein „Mißverständnis zwischen Ministerium und Bundesanstalt“. Ganz anders noch die Sprachregelung vor zwei Wochen. Auf Anfrage der taz hatte man in Bonn und in Nürnberg geantwortet, es habe sich um eine Anweisung aus dem Bundesarbeitsministerium gehandelt, dem damals Norbert Blüm (CDU) vorstand. Damit ist die fehlerhafte Dienstanweisung offenbar ein Blümsches Kuckucksei für seinen Nachfolger Walter Riester (SPD). Ein Ei, das teuer werden kann. Zur Zeit ist man bei der Bundesanstalt für Arbeit überfragt, wie viele Menschen zuwenig Geld bekommen haben, seit die fehlerhafte Anweisung am 1. Januar in Kraft getreten ist. „Das können Zehntausende Fälle sein“, so eine Sprecherin der Bundesanstalt. Dann kämen auf die Arbeitsämter Nachzahlungen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe zu. Denn die Betroffenen können jetzt ihre einbehaltene Arbeitslosenhilfe in Höhe ihrer Abfindungen bis zu 10.000 Mark nachfordern. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit sollten die Betroffenen allerdings noch etwa einen Monat warten. Bis dahin will das Bundesarbeitsministerium eine neue Dienstanweisung herausgegeben haben. Erst wenn diese gültig ist, können die Betroffenen nach Sozialgesetzbuch10 Paragraph44 einen Antrag auf Überprüfung ihres Falles stellen. Dann muß die zu Unrecht einbehaltene Arbeitslosenhilfe nachträglich ausgezahlt werden. Für die Betroffenen ist diese Entscheidung teilweise existentiell wichtig. Claudia Weber*, arbeitslose Grafikdesignerin aus Bremen, hatte den Fall ins Rollen gebracht, als sie sich in ihrer Not an die Aktionsgemeinschaft arbeitsloser BürgerInnen in Bremen (AGAB) und die taz gewandt hatte. Sie ist seit gut einem Jahr arbeitslos. Der Betrieb, in dem sie drei Jahre gearbeitet hatte, ist pleite gegangen. Aus der Konkursmasse hat die 40jährige 14.000 Mark Abfindung erhalten. Da sie nach dem Jobverlust zunächst Arbeitslosengeld bezog, nutzte sie die Abfindung, um alte Schulden zu begleichen. Dann kam der Übergang zur Arbeitslosenhilfe, und das Desaster ging los. Zur Berechnung der Arbeitslosenhilfe wird eine Bedürftigkeitsprüfung vorgenommen. Die Betroffenen müssen ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Dabei hatte das Arbeitsamt Bremen Weber vorgerechnet, daß von ihrer Abfindung noch 8.000 Mark anzurechnen seien. Verglichen mit ihrem ehemaligen Bruttowochenlohn, der als Berechnungsgrundlage herangezogen wurde, ergab sich daraus: sechs Wochen kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. „Ich mußte mir bei Freunden Geld leihen“, berichtet Weber. Erfreut reagierte sie jetzt auf den Bonner Beschluß. „Ich kann nur hoffen, daß ich jetzt auf dem Antragsweg mein Geld wieder zurückbekomme.“ Jens Tittmann

* Name geändert