Billige Straßenseite

Wer „Am Ochsenzoll“ links wohnt, lebt preiswerter als die Familie im Haus gegenüber  ■ Von Judith Weber

Der Pinscher von gegenüber protzt. Bei jedem seiner Trippelschritte klimpert eine Hundemarke, die ungleich teurer war als die des Dackels von der anderen Straßenseite. Das haben diejenigen ausgerechnet, die mitten auf der Fahrbahn stehen und abwechselnd auf beide Häuserzeilen zeigen: Hamburgs CDU-Fraktionschef Ole von Beust und Charlotte Paschen von der Union in Norderstedt.

180 Mark im Jahr kostet es, auf der rechten Seite – der des Pinschers – in der Straße „Am Ochsenzoll“ einen Hund zu halten. Links – auf der Dackelseite – sind nur 80 Mark fällig. Und die Sache mit den Tieren ist noch nicht alles, schimpft von Beust. An der Straße „wird Kleinländerei zu Lasten der Menschen betrieben“. Weil die eine Seite zu Hamburg und die andere zu Norderstedt, also zu Schleswig-Holstein gehört, seien weder die Hundesteuern einheitlich noch Was-ser-, Strom- und Müllgebühren.

Dieser „Anachronismus angesichts des zusammenwachsenden Europas“ (von Beust) trifft vor allem die BewohnerInnen der hanseatischen Seite. Denn hier ist alles teurer. „Geht man von einer dreiköpfigen Familie aus, die in einer 70-Quadratmeter-Wohnung lebt“, veranschaulicht der CDU-Chef, „müssen sie 600 Mark jährlich mehr zahlen. Das reicht für einen Wochenendurlaub!“

Daß der Unmut diesseits des Mittelstreifens noch nicht zu Übergriffen auf die billigen Mülltonnen jenseits der Straße geführt hat, ist vor allem der Unwissenheit der AnwohnerInnen zu verdanken. „Ich wohne seit 20 Jahren hier und hatte bisher keine Ahnung davon“, sagt Peter Freytag, Hausbesitzer auf der teuren Seite.

Doch die Nachbarn wissen die Kluft, die sie trennt, zu verbergen. Die Gebäude rechts wirken ebenso gepflegt wie links. Man nutzt schon mal die Einfahrt gegenüber zum Wenden, und nur böse Zungen flüstern, daß die Schleswig-HolsteinerInnen ihren Abfall nachts auf die Hamburger Seite schieben, um ihre Müllgebühren drücken.

Trotzdem sind nun Taten gefordert, erklärt die Norderstedterin Paschen. „Hamburg muß darüber nachdenken, warum es bestimmte Leistungen nicht billiger anbieten kann.“ Denn immer noch wohnen viele Menschen gern in der teuren Hansestadt. Freytag zum Beispiel würde auch für 600 Mark pro Jahr nicht die Straßenseite wechseln: „Ich will mein Hamburger Nummernschild behalten.“