Immer aktuell

„From Townships to Broadway“: Die südafrikanischen Committed Artists. Ein Interview  ■ Von Christiane Kühl

as afrikanische Theater hat einen Star: Mbongeni Ngema, Autor, Komponist, Regisseur und Schauspieler. Bereits die erste Produktion des Autodidakten, Woza Albert!, tourte international und heimste dabei so ziemlich jeden Preis ein, der auf dem Weg lag; sein Musical Sarafina über den Schüleraufstand in Soweto konnte sich sogar eineinhalb Jahre auf dem Broadway behaupten und wurde mit Whoopie Goldberg, Miriam Makeba und Quincey Jones verfilmt. Ab heute gastiert auf Kampnagel Asinamali, ein eindrucksvolles politisches Musical über die Unruhen im Lamontville-Township Mitte der Achtziger. Engagierte Kunst, so heißt es, ist in Südafrika eine Tautologie. Über das Leben und Theater im neuen Staat sprechen drei der fünf Schauspieler von Ngemas Gruppe Committed Artists.

taz:„Asinamali“ wurde 1983 uraufgeführt. Seitdem hat sich in Südafrika viel verändert ...

Bongani Hlophe: Die entscheidendste Veränderung war die Einführung des Allgemeinen Wahlrechts 1994. Seitdem wird das Land neu aufgebaut, und das dauert lange und ist schwierig. Was die Situation besonders erschwert, ist, daß die Weißen ihr Geld außer Landes gebracht haben – vermutlich um uns, die Schwarzen, noch ein bißchen länger leiden zu lassen.

Macht es Sinn, nach 15 Jahren, in denen die Lebenssituation der Südafrikaner sich grundlegend geändert hat, noch dasselbe Theaterstück zu spielen?

Thami Cele: Ngemas „Asinamali“ ist ein klassisches Stück. Man kann es mit Julius Caesar vergleichen: Es ist immer aktuell.

Was macht das Stück „klassisch“?

Cele: Es ist einfaches, es ist armes Theater. Wir brauchen nicht viele Requisiten: Der Schauspieler steht im Mittelpunkt.

Das Stück ist das gleiche geblieben, aber die Theaterwelt, in der Sie sich bewegen, ist eine ganz andere.

Bhoyi Ngema: Ja. Wir spielen mittlerweile in großen Theatern und auf Festivals in Amerika, Asien, Australien und Europa. From Townships to Broadway sozusagen ...

Wie konnte Mbongeni Ngema, wie konnten Sie diesen Sprung als Autodidakten schaffen?

Hlophe: Für uns – und ich glaube, ich kann hier für uns sprechen – ist Kunst das Wichtigste. Wenn wir glücklich sind, singen wir, und wenn die Sachen schlecht stehen, singen wir auch. Theater ist in uns.

Cele: Wir imitieren einfach. Früher zum Beispiel sind wir oft ins Kino gegangen. Die Filme waren auf englisch, und wir haben sie nicht verstanden, aber wir haben alles eingesogen, so daß wir anschließend unseren Brüdern die ganze Geschichte auf Zulu erzählen konnten. Wir wurden gleichzeitig Autoren und Schauspieler.

Ngema: An Theater waren wir nicht gewöhnt, und die meisten sind es immer noch nicht, außer in Johannesburg. Wo ich herkomme, aus Zululand, kennt man nur Mbongeni. Er ist der große Lehrer des afrikanischen Theaters. Wenn er Vorsprechen macht, kommen Tausende.

Der freie Zugang zu Schulen und Universitäten war und ist ein wichtiges Thema in Südafrika. Nun ist das afrikanische Theater sehr an der „oral history“ orientiert, und Sie haben nie eine Schauspielschule besucht – würden Sie trotzdem sagen, daß Theaterschulen wichtig für schwarzes Theater sind?

Cele: Unser Theater hat wirklich viel mit den Erzählungen unserer Großmütter und Großväter zu tun. Aber wir brauchen Schulen, um Teil des Puzzles der modernen Welt zu sein. Unsere Kinder müssen moderne Texte und Techniken kennenlernen. Wir haben viele Poeten, aber sie wissen nicht, wie man Bücher schreibt.

Ngema: Nimm The Lion King: Mbongeni komponierte Musik dafür, großartige Musik, aber er kann keine Noten schreiben. Als die Musik des Films mit einem Grammy ausgezeichnet wurde – rate mal, wer die Ehrung entgegennahm? Der Typ, der die Noten zu Papier brachte. Er bekam den Grammy, weil er zur Schule ging.

„Asinamali“ bedeutet: „Wir haben kein Geld.“ Ist das das größte Problem der Schwarzen in Südafrika?

Hlophe: Die Weißen stellen sicher, daß das Geld bei ihnen bleibt. Sie verdienen 20 bis 100 mal so viel wie wir, aber im Supermarkt zahlen wir alle dieselben Steuern. Das ist ungerecht.

Cele: Ich möchte gerne eine Theaterschule errichten, aber ich habe keinen Cent. Zu Geld zu kommen, ist wie den Hitzereflektionen auf dem Asphalt nachzujagen – du kommst nie dran.

Ngema: Es ist wichtig, Theater zu den Leuten zu bringen, die es sich nicht leisten können, in die Stadt zu fahren. Wir können eine Menge lehren, weil wir die Welt gesehen haben. Wenn wir in den Townships spielen, fragen die Leute oft: Wie können wir so werden wie Ihr?

Cele: Aber die Leute glauben heute, daß wir ihre Feinde sind. Weil wir Sachen wissen, die sie nicht wissen können. Weil wir nicht alles geben können.

Ngema: Und das liegt am Geld. Wir spielen in den Townships in Kinos und Kirchen, wo es keine Bühne, kein anständiges Licht, nichts gibt. Das Theater verliert so.

Cele: Wir sind die schwarzen Schafe unseres eigenen Volkes geworden, das wir aus der Dunkelheit führen wollten. Wir wurden unsere eigenen Feinde.