Hektische Suche nach neuem Bahn-Chef

Für die Ablösung von Johannes Ludewig fehlt der richtige Kandidat: Die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden der Bahn bekommt allmählich peinliche Züge. Gestern erneute Ludewig-Sitzung im Verkehrsministerium  ■ Von Manfred Kriener

Verspätungsorgien, technische Probleme, Schuldenberg, Imageverlust, Hohn und Spott. Die Abwärtsspirale der Deutschen Bahn AG hält an, der Ruf nach einem Austausch des Vorstandsvorsitzenden Johannes Ludewig wird immer lauter, je heftiger das Unternehmen selbst die Ablösung dementiert.

Auch unter den Verkehrspolitikern der Koalition und im Bundesverkehrsministerium von Franz Müntefering (SPD) herrscht weitgehender Konsens über die Notwendigkeit des Wechsels. Nur: Der Wunschkandidat ist noch nicht gefunden, die Suche bekommt allmählich peinliche Züge. Nachdem eine zunächst diskutierte Übergangslösung mit dem Finanzvorstand der Bahn AG, Diethelm Sack, mittlerweile aus der Debatte scheint, bleibt bis zur entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 2. Dezember wenig Zeit.

Ludewig hatte letzte Woche ein Gespräch mit Verkehrsminister Müntefering. Seitdem wird in Bonn die Nachricht gestreut, er habe eine zweite Chance bekommen, was gestern im Ministerium dementiert wurde. Die Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED) will, wie vorab bekannt wurde, offenbar mit einem Mißtrauensantrag gegen Ludewig in die Sitzung am 2. Dezember gehen. Die Stimmung bei den Eisenbahnern ist frostig, sie spüren den Imageverlust. „Ein Manager muß mit seinem Kopf dafür geradestehen, daß der Laden läuft“, sagte gestern GdED- Sprecher Hubert Kummer. Und der Laden läuft schlecht. Jetzt hat die Bahn auch noch ihre Investitionen in neue Züge „auf der Zeitachse gestreckt“, also verschoben.

Im Bonner Verkehrsministerium wird als Nachfolger ein Mann aus der Industrie favorisiert. Dort hält sich aber die Begeisterung, auf den Chefsessel eines Krisenunternehmens zu steigen, in engen Grenzen. Nachdem „Panorama“ wie zufällig letzte Woche den lässigen Umgang des VW-Vorstands Klaus Kocks mit dem Thema NS- Zwangsarbeiter entlarvt hatte, gilt dieser für den politisch sensiblen Job als ungeeignet.

Jetzt wird auch unter Politikern mit Bahnerfahrung nach einem Kandidaten gesucht. Im Gespräch ist der bisherige Nahverkehrsvorstand Klaus Daubertshäuser, der aber eher reserviert ist. Auch Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Jürgen Heyer, dessen erfolgreiche Bahnpolitik trotz knapper Kasse ihn interessant macht, wird genannt. Die Personalie Ludewig wurde gestern erneut bei einem internen Gespräch von Müntefering und Mitarbeitern diskutiert.

Die Grünen halten sich bisher in der Personaldebatte zurück und warnen davor, die strukturellen Probleme der Bahn zu übersehen, etwa überhöhte Trassenpreise. Gleichwohl „wären wir die letzten, die in Tränen ausbrechen, wenn Ludewig geht“, meint Verkehrsexperte Albert Schmidt. Die Grünen wünschen sich einen Bahn-Spitzenmann, der „endlich Klartext redet mit der Politik, damit die Schiene überhaupt eine Chance bekommt“. Namen ihrer Wunschkandidaten nannten sie nicht.