Granaten für Saddams Vize

Iraks zweiter Mann, Issat Ibrahim, übersteht unverletzt ein Attentat. Wahrscheinlich stecken schiitische Oppositionelle hinter dem versuchten Mordanschlag  ■ Von Karim El-Gawhary

Kairo (taz) – Die irakische Opposition hat zugeschlagen. Am Sonntag warfen Unbekannte in der südirakischen Stadt Kerbala zwei Handgranaten auf Issat Ibrahim, Saddam Husseins Vertreter im Irakischen Revolutionsrat, dem wichtigsten politischen Gremium des Landes. Ibrahim, der als die Nummer zwei des Landes gilt, blieb unverletzt. Es seien Untersuchungen im Gange, um die Täter zu fassen, hieß es im irakischen Fernsehen, das ungewöhnlicherweise den Anschlag noch am gleichen Abend vermeldete.

Der Zeitpunkt des Anschlages war wahrscheinlich kein Zufall. Gestern trafen in London 15 irakische Oppositionsgruppen zusammen, um erneut zu versuchen, sich auf eine Strategie zum Sturz Saddam Husseins zu verständigen. Hintergrund dieses Treffen ist auch eine Ankündigung Washingtons, Iraks Opposition mit 97 Millionen US-Dollar zu unterstützen. Bis Ende des Jahres soll entschieden werden, welche Gruppierungen davon profitieren sollen.

Als einer der aussichtsreichsten Kandidaten gilt der Irakische National-Kongreß (INC), der als Dachverband mehrerer Gruppen nach dem Golfkrieg gegründet wurde. Wieviel Unterstützung diese Organisation allerdings im Land hat, ist fraglich, vor allem seit irakische Truppen vor zwei Jahren im kurdischen Norden ihre Büros stürmten und 200 Mitglieder ermordeten. 2.000 weitere INC-Mitglieder und ihre Helfer von der CIA konnten in letzter Sekunde evakuiert werden. Andere Empfänger könnten die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und Patriotische Union Kurdistans (PUK) sein. Aber auch die Kommunistische Partei und die mit Hilfe der CIA von abweichenden Mitgliedern der im Irak regierenden Baath-Partei gegründete Irakische Nationale Übereinkunft dürften nicht leer ausgehen. Möglicher Empfänger ist auch die schiitische „Oberste Versammlung für die Islamische Revolution im Irak“ mit Hauptsitz in Teheran.

Doch ob diese Unterstützung zu Ergebnissen führen wird, ist fraglich. Weder die USA noch Großbritannien hätten eine konkrete Vorstellung für „den Tag nach Saddam Hussein“, erklärt ein in Bagdad arbeitender ausländischer Diplomat, zumal sich die irakische Opposition „in einem bedauernswerten Zustand“ befinde. „Wir haben über 70 Baader-Meinhof- Gruppen, nur weniger bedeutend und ohne Unterstützung innerhalb Iraks“, beschreibt er die Lage. Für ihn sind die vom Iran unterstützten schiitischen Gruppierungen im Süden des Landes die einzige ernst zu nehmende Opposition.

Obwohl sich zu dem Anschlag auf Ibrahim noch niemand bekannt hat, ist es wahrscheinlich, daß diese Gruppen hinter dem Attentat in der Schiiten-Hochburg Kerbala stehen. Ibrahim hat angeblich Armee-Einheiten angeführt, die schiitische Rebellen in den südlichen Sümpfen Iraks bekämpfen sollen. Kommentar Seite 12