"Wir werden weiterverhandeln"

■ Heute findet der internationale Aktionstag gegen Gewalt gegen Frauen statt. Die grüne Bundestagsabgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk über die Versäumnisse der rot-grünen Koalition

Irmingard Schewe-Gerigk ist seit vier Jahren für die Bündnisgrünen im Bundestag und seitdem frauenpolitische Sprecherin der Fraktion. Der rot-grüne Koalitionsvertrag betrachtet Gewalt von Männern an Frauen nicht länger als Frauenproblem, sondern als Problem der inneren Sicherheit.

taz: Die Regierung will einen „Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen“ starten, der aber im wesentlichen nur auf mehr Schutz und Hilfe für betroffene Frauen abzielt. Damit bekämpft er nur die Folgen von Gewalt, nicht aber ihre Ursachen. Kann das die Lösung sein?

Irmingard Schewe-Gerigk: Es gibt nicht nur eine Lösung. Wir brauchen dringend besseren rechtlichen Schutz für die Opfer, und wir müssen die Ursachen von Gewalt bekämpfen, zum Beispiel durch psychologische Trainings- und Therapieprogramme.

Meinen Sie, daß härtere Strafen Gewalttäter wirklich abschrecken können?

Wir wollen vor allem das Unrechtsbewußtsein stärken. Gerade bei Gewalt im privaten Bereich, in den eigenen vier Wänden, ist das Unrechtsbewußtsein von Männern sehr schwach ausgeprägt. Es muß klar werden: Wer Gewalt ausübt, begeht ein Verbrechen.

In den Koalitionsverhandlungen hatten Sie die Chance, die Gesetze gegen Gewalt gegen Frauen zu verschärfen, trotzdem sind die Maßnahmen nur halbherzig. Zum Beispiel wird geschlechtsspezifische Verfolgung nicht generell als Asylgrund anerkannt, und ausländische Frauen haben erst nach zwei Jahren ein vom deutschen Ehemann unabhängiges Aufenthaltsrecht.

Ich bin damit auch nicht zufrieden. Bei der geschlechtsspezifischen Verfolgung, also bei Frauen, die vor Vergewaltigung in Kriegen oder Genitalverstümmelung geflohen sind, sollen jetzt die Verwaltungsvorschriften so ausgelegt werden, daß die Frauen hierbleiben können. Also: Es bleibt noch viel zu tun. Die ausländischen Frauen, die hier verheiratet sind, müssen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht haben. Momentan ist es so, daß Männer diese Frauen quasi bei Nichtgefallen wieder abschieben lassen können. Die Rechtlosigkeit der Opfer ist der beste Täterschutz. Das kann ein demokratischer Staat nicht länger hinnehmen.

Woran sind Ihre Forderungen denn gescheitert?

Bei den genannten Punkten hatte der sozialdemokratische Innenminister Otto Schily offensichtlich Angst, daß dann weltweit die Frauen nach Deutschland strömen, um hier Asyl zu beantragen.

Was halten Sie dem Bundesinnenminister Schily entgegen?

Diese Ströme sehe ich nicht. Außerdem meine ich, daß man die Asylpolitik nicht mit der Einwanderungspolitik verbinden sollte. Das sind zwei unterschiedliche Schuhe. Das eine ist eine humanitäre Angelegenheit, das andere ist die Frage, wieviel Einwanderung wir haben wollen und wie viele Menschen ohnehin zu uns kommen. In Ländern wie Kanada und in Skandinavien zeigt sich im übrigen, daß ein generelles Asylrecht bei geschlechtsspezifischer Verfolgung nicht zu einer Katastrophe führt, wie Herr Schily sich das vorstellt.

Sind Sie optimistisch, daß da noch ein Umdenken stattfindet?

In den kommenden vier Jahren werden wir weiter mit dem Innenministerium verhandeln und Öffentlichkeit herstellen.

Zusammen mit der Frauenministerin Christine Bergmann von der SPD werden wir die Männer dort überzeugen, da bin ich sicher. Wenn ich diesen Optimismus nicht hätte, dann wäre es sehr schwierig, Politik umzusetzen. Außerdem bekommen wir Unterstützung von Fraueninitiativen wie dem Deutschen Frauenrat und dem Juristinnenbund, die auch massiv Druck machen. Interview: Kerstin Willers

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