An der Börse grassiert der „Fusionswahnsinn“

■ Nachdem AOL seine Übernahmepläne bekanntgab, legten Internet-Werte bis zu 30 Prozent zu

Berlin (taz) – Das Übernahmeangebot von AOL an Netscape löste einen wahren „Fusionswahnsinn“ (Reuters) aus. An der elektronischen New Yorker Nasdaq- Börse, wo High-Tech-Aktien gehandelt werden, wurden fast wahllos Internet-Aktien gekauft. Der Aktienkurs von AOL stieg um knapp 5 Prozent, der von Netscape, das seit einem Jahr am Straucheln war, um 6,6 Prozent.

Andere Internet-Werte zogen um bis zu 30 Prozent an, weil die Broker weitere Übernahmen erwarten. Denn AOL hat nun kleinere Internet-Firmen unter Druck gesetzt, ebenfalls zu expandieren, um nicht den Anschluß zu verlieren. So legten am Montag etwa die Kurse von eBay, einem Internet- Auktionshaus, um 31 Prozent zu, das Online-Kaufhaus Amazon.com um 21 Prozent, Yahoo um fast 16 Prozent.

Dieses Jahr wurden bereits für 195 Milliarden Dollar Internet-Firmen gekauft – fast dreimal soviel wie im Vorjahr. Vor allem Firmen, die große Eingangsseiten zum Netz (zum Beispiel Suchmaschinen) betreiben, wie Yahoo, Amazon.com oder Lycos, kauften dazu – finanziert meist durch die atemberaubenden Wertzuwächse der eigenen Aktien. Amazon.com und Lycos bezahlten jeweils 320 Millionen Dollar für je fünf Firmen. Lycos erstand zum Beispiel das Internet-Magazin wired digital. Auch Microsoft gab im vergangenen Jahr allein 1,1 Milliarden Dollar für drei Unternehmen aus, darunter den E-Mail-Provider hotmail und WebTV Networks.

Viele Aktienkurse von Internet-Firmen erreichen mitlerweile Höhen, die rational nur schwer zu erklären sind. So hat etwa eBay einen Aktienwert von knapp 8 Milliarden Dollar, obwohl es im Quartal nicht mehr als 13 Millionen Dollar umsetzt. Weil auch den Firmenbesitzern klar ist, daß solch hohe Kurse nicht ewig währen müssen, nutzen viele ihre Kursgewinne für weitere Aufkäufe. Außerdem geht es darum, eine gute Ausgangsposition zu haben, wenn der Internet- Handel so richtig losgeht. urb