Die (Luxem-) Burger Queen

■ Mit dem Segen von Bowie: die sexuellen Irritationsspielchen von Brian Molko, Bankersohn und Placebo-Frontmann, feiern Glam

Einmal Touristen schocken! Mit Federboa und Plateauschuhen! Für Brian Molko wurde dieser Traum am Filmset von Velvet Goldmine Realität: Das androgyn auf-gemachte Aushängeschild von Placebo darf natürlich einen Glam-Rocker auf den Spuren von Marc Bolan und den New York Dolls mimen. Es ist ein Traum, der vermutlich besonders genährt wird, wenn man als Sohn eines Bankers in Luxemburg aufwächst und vor Ort die amerikanische Schule besucht. Nachdem das Debüt des international besetzten Londoner Trios (ein Ami, ein Schwede, ein Brite) vor zwei Jahren noch unter die Räder des großen Brit-Pop-Battle Oasis vs. Blur gekommen war, konnten Placebo mit dem aktuellen Werk Without You I'm Nothing nun selbst die Farbe der Saison auf der Insel bestimmen.

Nach den Debatten um working und middle class, nach ladism und seinem Odeur aus Bier, Pinkeln im Stehen und Fußball-Schweiß geht's nun wieder um Geschlechterrollen und geschminkte Jünglinge im Frauenfummel. Und wer darf da nicht fehlen? David Bowie, der „godfather“ sexueller Identitätsspielchen mit Breitenwirkung, breitete in der Kulisse sogleich wohlwollend seinen Mantel über Molko und Co. und lud die Band zur gemeinsamen Tournee. Forever Glam!

Die Rezeption von Placebo steht denn auch eher dafür, wie sehr sich die Terminologie des Pop-Betriebes verselbständigt hat und ohne Nachfrage weitergebetet wird. Oder anders: Nicht überall, wo Glam draufsteht, muß auch ganz viel Glam drin sein. Zumindest, wenn man dabei an Gary Glitter und Konsorten denkt. Mit Without You I'm Nothing schreiben Placebo die Glam-Rock-Historie weder bahnbrechend um noch bequem fort. Vielmehr läßt ihr ebenso muskulöser wie fragiler, aber immer ziemlich stilsicherer Vortrag mehr als erahnen, daß auch ein paar andere Pate gestanden haben bei Placebo. Man muß ja nicht gleich Namen wie Captain Beefheart und Sonic Youth in den Ring werfen.

Die Affären des Herzens, das Drama der Existenz – all' die großen, in kleinen Einheiten durchdeklinierten Topoi sind indes bei Brian Molko und in Songs wie „Pure Morning“, „You Don't Care About Us“, „Ask For Answers“ und der (Luxem-) „Burger Queen“ durchaus gut aufgehoben. Insofern besteht sogar Hoffnung, daß der gerade mal 23-jährige Sänger und Texter seine androgyne Irritationsphase überleben kann. Wenn die Federboa und die Plateauschuhe wieder im Schrank verschwunden sind.

Jörg Feyer mit Six By Seven: Fr, 27. November, 21 Uhr, Markthalle