Immer zum Bersten gespannt

■ Kunst und keine Sozialarbeit: Ramba Zamba, ein Berliner Theater von Behinderten und Nichtbehinderten, zeigt seine Version von Woyzeck(en)

„Angestellt bin ich als Sozialarbeiter, obwohl ich doch nie was anderes gemacht habe als Theater“, beschreibt Klaus Erforth das Dilemma zwischen eigenem künstlerischen Anspruch und finanztechnisch-gesellschaftlicher Wirklichkeit. Der Regisseur wird mit dem Gastspiel Woyzeck(en) seiner Berliner Theatergruppe Ramba Zamba im Malersaal am Samstag das Festival Verrückte Kunst abschließen.

Die Gruppe ist Mitglied der Kunstwerkstatt Sonnenuhr e.V., die für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung vielfältige Möglichkeiten bietet, sich in verschiedenen Künsten auszuprobieren. Gemeinsam mit seiner Frau, der Schauspielerin und TheaterwissenschaftlerinGisela Höhne, hat der zuvor am Deutschen Theater als Regisseur beschäftigte Erforth das Projekt 1990 ins Leben gerufen, das sechs Jahre später mit dem Förderpreis der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg ausgezeichnet wurde. Motiviert hat sie ihr Sohn Moritz, der ein Down-Syndrom hat und als Schauspieler, Musiker und Maler aktiv ist.

Der Premiere von Woyzeck(en) nach Georg Büchner im Februar 1997 ging eine Vorbereitungszeit von zwei Jahren voraus. Anfangs standen einmal wöchentlich Proben auf dem Plan, später zwei- bis dreimal, und während der Endphase wurden die Akteure dann von ihrer Arbeit in Behinderten-Werkstätten freigestellt. Die Proben sehen nicht anders aus als mit ,normalen' Schauspielern, betont Erforth. Der Knackpunkt sei die Schwierigkeit seiner Schauspieler, Verabredungen einzuhalten, die entsprechenden Stichworte zu geben und darauf zu reagieren: „Da nehmen sie sich schon mal ihre Freiräume. Was einerseits sehr spannend ist – andererseits soll das Stück in eine vorgegebene Richtung weitergehen. Das bedeutet manchmal einen heiklen Balanceakt.“

Die Stoffwahl ist auf die Qualitäten und Erfahrungen der Beteiligten abgestimmt. So scheint Joachim Neumann prädestiniert, die Rolle des Woyzeck zu spielen, weil er selbst das Haßkind und der Prügelknabe seiner Familie gewesen sei und oft quälende Ruhigstellungen erlebt habe. „Sein Theaterspielen erscheint als Lebenskunstwerk“, so Erforth, „das mit seiner großen Au-thentizität keinen Zuschauer kalt läßt. Joachim spielt keinen unterwürfigen Woyzeck, sondern ist immer zum Bersten gespannt und bringt aus diesem Effekt heraus Marie um.“ Für den betroffenen Schauspieler ist die Auseinandersetzung mit seiner unliebsamen Vergangenheit dementsprechend hart. Für das nächste Projekt wünscht er sich einen anderen Rollentyp: „Ich will keinen mehr spielen, der immer einen Tritt in den Arsch bekommt.“

Oliver Eckers

Samstag, 28. November, 20 Uhr, Malersaal