Absonderlich sanfte Arten von Gewalt

■ Entfremdung und Gefühlskälte galore: „Blue Fish“ von Yosuke Nakagawa im fsk

Ein Blick auf eine blaue Holztür. Zeit. Ein Blick auf einen Bach, plätschernd. Noch mehr Zeit. Ein Blick in den Himmel. Ein Schnitt. Ein Blick auf einen Blumentopf. Es passiert nicht viel am Anfang von „Blue Fish“, und es passiert ziemlich langsam. Daran wird sich auch später nichts Wesentliches ändern. Dann rollt ein Fahrrad den Berg hinab.

Es gibt eine ganz bestimmte Sorte Menschen, die sich auf der Berlinale keinen der japanischen Filme im Forum entgehen lassen. Doch selbst bei denen waren 1998 die Meinungen sehr geteilt, ob Yosuke Nakagawa es in seinem Erstlingsfilm mit der Ereignislosigkeit und Entfremdung und Gefühlskälte nicht arg übertreibt, ob sich da in die vielen stillen und stummen Szenen nicht auch immer ein wenig Langeweile und Überdruß reinschlichen.

Die Geschichte der Friseurgehilfin Ryoko und ihrer sprachlosen Liebe zum geheimnisvollen Unbekannten ist formal so streng erzählt, daß man es durchaus schleppend nennen kann. Jedem überflüssigen Handgriff von Ryoko, den sie an ihren durch und durch öden Tagen ausführt, wird ebenso viel Bedeutung beigemessen wie ihren geheimen Blicken durch die Fenster des Friseursalons, mit denen sie Kazuya, dem von feindlichen Yakuza (Achtung, Anagramm!) verfolgten Mafioso, hinterherspioniert.

Man kann es weniger sehen, eher schon fast körperlich spüren, wie langweilig Ryokos Leben abläuft. Der Unbekannte in der Wohnung gegenüber dem Salon wird allein durch sein Unbekanntsein zur Sensation. Daß er ein Gangster ist, brauchte Ryoko nicht einmal zu ahnen. Wahrscheinlich sind ihre Phantasien nur halb so wild, wie es die Wahrheit ist. „Du bist seltsam“, sagt die lebenslustige Freundin, deren Blick Ryoko immer ausweicht.

Aber Gefühlsregungen gibt es nicht zu beobachten, bestenfalls sparsamste Gesten deuten an, wie es um die Menschen steht. Ein paar Wunderkerzen wechseln von Hand zu Hand, ein Kaktus steht auf dem Fensterbrett, es wird auch mal gerannt, aber Overacting wird bestimmt niemals zum Problem werden.

Selbst als dann die Gewalt einbricht in die Romanze, die keine war und niemals eine geworden wäre, geschieht das auf eine absonderlich sanfte Art. Wie in einer Traumsequenz tauchen die Yakuza auf, verschwindet das Objekt der Begierde und ward fortan nicht mehr gesehen. Eine Nacht verbringt Ryoko dann auf seinem Sofa, nicht verlassen, weil: es war ja nichts, aber halt doch allein. Alles ist also beim alten.

Dann geht das Leben weiter. Muß ja. Thomas Winkler

„Blue Fish“. R+B: Yosuke Nakagawa. Mit Mari Ouchi, Keigo Heshiki, Yoshino Tamaki u.a. Japan 1997, 60 Min.

Ab heute um 21.15 Uhr im fsk am Oranienplatz 2, Segitzdamm 2, Kreuzberg