: Hinter dem Horizont
■ USA 1998, Regie: Vincent Ward; mit Robin Wil liams, Cuba Gooding Jr., Annabella Sciorra u.a.; 113 Min.
Robin Williams ist wieder mal die Frau weggestorben. Schon seltsam, wie häufig der Mime neben seinen ausgesprochenen Clown-Rollen Männer gespielt hat, denen der Tod ihre Frau genommen hat und die darüber auch nach Jahren noch nicht hinweggekommen sind – in „König der Fischer“ zum Beispiel oder zuletzt in „Good Will Hunting“. In Williams' jüngstem Film, der seinen Originaltitel „What Dreams May Come“ aus Hamlets berühmtem „Sterben-Schlafen“-Monolog ableitet, wird das Thema der unsterblichen Liebe als buntes Fantasy-Melodram verpackt. Tolle bunte Bilder, aber zuweilen arg kitschig. Darum geht's:
Nachdem der Kinderarzt Chris bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, erwacht er in einer Farbenpracht, die ihn sofort an die New-Age-Gemälde seiner über alles geliebten Frau Annie (Annabella Sciorra) erinnert. Sein schwarzer Jenseits- Führer Alber (Cuba Gooding Jr.) klärt ihn auf, daß jeder Verstorbene in einer Welt leben darf, die seinen Lieblingsvorstellungen am nächsten kommt – und bei Chris sind das die Bilder Annies, mit der ihn nach wie vor eine tiefe Seelenverwandtschaft verbindet und die er so sehnlich wiedersehen möchte. Als die verzweifelte Frau jedoch die „Todsünde“ des Selbstmords begeht, landet sie in der Hölle, und Chris macht sich wie einst Orpheus in der Sage auf in die Unterwelt, um Annie zu suchen, zu finden und zu erlösen...
Was lernen wir? Sterben ist gar nicht schlimm. Im Gegenteil, Sterben ist schön, Sterben ist spannend, Sterben ist echt cool. Aber das haben die Katholiken ja schon immer gewußt. Ein Film, zelebriert wie ein Hochamt!
Blauer Stern, Casablanca, CinemaxX Colosseum, CinemaxX Potsdamer Platz (auch OF), CineStar, Kosmos, Die Kurbel (OF), Marmorhaus, Sojus, Thalia, Zoo Palast
Jackie Chan ist Nobody Hongkong 1998, Regie: Jackie Chan, Benny Chan; mit Jackie Chan, Michelle Ferre u.a.; 117 Min.
Jackie Chan ein Nobody? Ha! Eine alberne Behauptung. Der amtierende König der Kinostunts ist alles andere als ein Niemand, sondern seit einigen Jahren auch außerhalb Hollywoods eine große Nummer. Witz und Action vereinen sich in seinen Filmen zu akrobatischen Glanzstücken.
Zum „Nobody“ wird der 44jährige artistische asiatische Tausendsassa hier allerdings, weil er bei einem CIA-Einsatz im südafrikanischen Dschungel das Gedächtnis verliert, als sein Hubschrauber abstürzt – Jackie und neun Kollegen, von denen keiner überlebt, sollten ein geheimnisvolles Meteoriten-Bruchstück sicherstellen, das eine ungeheure Energie ausstrahlt. Ein Eingeborenenstamm findet den Bewußtlosen und pflegt ihn gesund, und weil der Mann ohne Erinnerung selbst nicht weiß, wer er ist (Orginaltitel: „Who am I?“), tauft man ihn kurzerhand auf den Namen „Huemei“ und macht ihn zu einem Stammesmitglied...
Blöde Geschichte? Na sicher. Aber wer interessiert sich bei einem Jackie-Chan-Film schon für die Story. Die Stunts machen die Musik. Hier ist einer drin, in dem Jackie mehr als 20 Stockwerke eines Steildaches hinunterrutscht, ohne abgesichert zu sein. Und das, liebe Kinder, ist doch auch schon was.
CineStar, Kinocenter Spandau, Sojus, Royal Palast, Titania Palast
Velvet Goldmine GB/USA 1998, Regie: Todd Haynes; mit Ewan McGregor, Jonathan Rhys-Meyers, Toni Colette u.a.; 123 Min.
Nicht wenige halten den Glamrock für die peinlichste Stilblüte der modernen Musikgeschichte. Als sich Anfang der 70er Jahre Leute wie Garry Glitter, Brian Eno, Elton John, David Bowie oder Marc Bolan auf den Bühnen der Welt tummeln, muß man zweimal hinschauen, welchem Geschlecht sie inzwischen oder gerade mal wieder zuzuordnen sind. Feminine Kostümierung und schrille Make-up-Maskierung, geschmeidige Bewegungen und zweideutige Hochton-Stimmlagen lassen mehr als einmal die Grenzen verwischen. Den Protagonisten und Anhängern des Glamrock ist es egal, ob man sie als aufgeplusterte Paradiesvögel des Pop dem homo-, bi- oder heterosexuellen Lager zurechnet. Was heute ein müdes Lächeln hervorruft, war damals Teil der sexuellen Revolution.
In „Velvet Goldmine“, dem mit jeder Menge zeitgenössischer Musik (absolut hörenswerter Soundtrack) angereicherten Spielfilm, den Regisseur Todd Haynes als wild-laszive Nostalgie-Show und kritische Bilanz in einem inszeniert hat, geht ein britischer Journalist auf eine illustre Reise in die Vergangenheit, in der längst nicht alles Gold ist, was glitzert. Er will das plötzliche Verschwinden seines früheren Idols, des britischen Platten- und Bühnen-Stars Brian Slade, aufklären, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere angeblich seinen eigenen Selbstmord inszeniert hat und danach unauffindbar ist. Informationen erhofft sich Journalist Arthur von Slades Ex-Frau Mandy (Toni Colette aus „Muriels Hochzeit“), diversen Musikkollegen und von dem amerikanischen Rockstar Curt Wild (Ewan McGregor), mit dem Brian mal ein obsessives Verhältnis hatte...
Die schillernde Hommage an den Glanz- und Glitter-Kult erinnerte lose an David Bowies „Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“. Ein witziges Musikmärchen mit ausgezeichneten Darstellern.
Babylon (OF), Broadway, Central, CinemaxX Colosseum, CinemaxX Potsdamer Platz, CineStar, FT am Friedrichshain, Passage
Die Newton Boys USA 1998, Regie: Richard Linklater; mit Matthew McConaughey, Ethan Hawke, Skeet Ulrich u.a.; 113 Min.
Mit ihrer besonderen Art von Geschäften kassierten die Newton Boys während ihrer kriminellen Karriere in den Jahren 1919 bis 1924 mehr Geld als Jesse James, Butch & Sundance, Bonnie & Clyde und die Dalton-Brüder zusammen. Trotzdem blieb den seinerzeit erfolgreichsten Räubern Amerikas, anders als ihren namhaften Kollegen, bislang ein Spielfilmporträt verwehrt. Jetzt hat sich Richard Linklater („Before Sunrise“) ihrer angenommen – mit einem ziemlich nahe an der Wahrheit orientierten und detailgetreu ausgestatteten Roaring-Twenties-Gangster-Movie, das Aufstieg und Fall der legendären Brüder schildert:
Nachdem die Newton Boys mit einer ersten Testreihe festgestellt haben, daß sie mit Banküberfällen schneller und vor allem leichter reich werden können als mit dem Pflücken von Baumwolle, verlegen sie sich ganz und gar auf diese Tätigkeit. Nach 80 erfolgreich ausgeraubten Banken wollen die Gangster für etwas Abwechslung sorgen. Bald wird ein Postzug nach Chicago fahren, der drei Millionen Dollar transportiert...
Trotz einiger Hänger in der Spannungsdramaturgie eine recht nett anzuschauende Gangsterballade.
CineStar, Filmbühne Wien, Kinowelt Friedrichshain, Kosmos
Kai Rabe gegen die Vatikankiller D 1998, Regie: Thomas Jahn; mit Steffen Wink, Sandra Speichert u.a.; 95 Min.
Ex-Taxifahrer Thomas Jahn kam als Autodidakt aus dem Nichts und inszenierte mit „Knockin' On Heaven's Door“ gleich einen Hit, den über drei Millionen Zuschauer sehen wollten. Eine solide Basis, auf der es sich mit großer künstlerischer Narrenfreiheit weiterarbeiten läßt. Das Ergebnis wurde mit einem riesigen Reklameaufwand („Heinz Hoenig fickt sie alle!“) schon Monate vor Abspielstart dem Publikum schmackhaft gemacht. Es geht ums Filmemachen oder so: Jungregisseur Rufus Lindner (Stefan Jürgens) dreht gerade seinen ersten Film mit dem Titel „Die Vatikankiller“, Horror-Trash im Edgar-Wallace- Look der 60er Jahre mit einem fiesen Mördermönch, der unter dem Petersdom die Inquisition weiterleben läßt und mit Vorliebe blonde Frauen martert. Doch dann beginnen sich Realität und Illusion zu vermischen: Als eine Nebendarstellerin des Films ermordet aufgefunden wird und bei den Dreharbeiten ein weiterer Schauspieler ums Leben kommt (jemand hat den alten Krimitrick mit der scharfen Munition anstatt Platzpatronen benutzt), verliert der versoffene Star Kai Rabe (Steffen Wink) die Nerven und heuert die schwerbewaffneten israelischen Bodyguards Salomon und Hesekiel an, die alsbald auch zwei hartnäckige weibliche Rabe-Fans in die ewigen Jagdgründe ballern – es sollen nicht die letzten Leichen bleiben...
Alles so schön bunt hier: Comic-Gewalt, Comic-Humor, Comic-Story. Villeicht hätte Thomas Jahn ein Comic-Heft zeichnen sollen. Als Film wirkt das Ganze ziemlich albern.
Astra Filmpalast, CinemaxX Colosseum, CinemaxX Potsdamer Platz, CineStar, Filmbühne Wien, Gropius Passagen, Kant, Kinowelt Spreehöfe, Kinowelt Friedrichshain, Kosmos, Royal Palast, Zoo Palast
Weitere Neustarts „Blue Fish“ (Drama aus Japan); „Buffalo 66“ (Drama aus den USA); „Children of the Revolution“ (australische Komödie); „Die rote Violine“ (Drama um die Geschichte einer Geige); „Teurer als Rubine“ (Drama um die Selbstfindung einer Frau)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen