Jugoslawiens Generalstabschef muß gehen

■ Gegen den Protest des montenegrinischen Präsidenten entmachten die Staatschefs Jugoslawiens und Serbiens Momcilo Perisić. Das führt zu neuen Spannungen in der Föderation

Belgrad (taz) – Das Aus für den jugoslawischen Generalstabschef, Momcilo Perisić, kam nachts: Am Dienstag wurde er abgesetzt. Für die Entmachtung des Generals, der häufig auf eigene Faust handelte, stimmten im dreiköpfigen obersten Verteidigungsrat des Landes die Präsidenten Jugoslawiens und Serbiens, Slobodan Milošević und Milan Milutinović. Montenegros Präsident, Milo Djukanović, hingegen protestierte scharf. Perisić soll sich geweigert haben, sein neues Amt als Verteidigungsberater des jugoslawischen Ministerpräsidenten anzunehmen, schreibt die montenegrinische Tageszeitung Pobjeda. Damit ist die Kluft in der ohnehin brüchigen Föderation noch tiefer geworden.

Die Absetzung Perisić' kommt nicht unerwartet. Noch im Frühjahr verhinderte er ein Eingreifen der Armee während der Unruhen in Montenegro, als Milošević mit allen Mitteln versuchte, seinen gefährlichsten Gegner, den neugewählten Präsidenten Djukanović, zu stürzen. Anfang November kritisierte der Spezialist für Raumfahrttechnik die politische Führung des Landes und warnte „als Soldat“ davor, sich mit der ganzen Welt anzulegen. Als regimenahe Medien aufgrund der Möglichkeit eines Nato-Einsatzes im Kosovo patriotischen Heroismus predigten und die Serben auf eventuellen Widerstand vorbereiteten, erklärte der erste Soldat des Landes, es wäre hoffnungslos, gegen die Nato zu kämpfen. Überdies mußten sich führende serbische Politiker anhören, wie Perisić im Hauptquartier der Nato als „fähiger militärischer Profi“ gelobt wurde.

Perisić, der ein Psychologiestudium abgeschlossen hat, ist von Haus aus Fachmann für Artillerie. Zu Beginn des jugoslawischen Bürgerkrieges war er Kommandant der Luftabwehrschule in Zadar an der kroatischen Küste und befreite seine von Kroaten umzingelten Soldaten. Deswegen wurde er von einem kroatischen Gericht in Abwesenheit als Kriegsverbrecher verurteilt. Später ließ er das umkämpfte Mostar in Bosnien beschießen. Seine Befehle wurden jedoch als militärisch begründet bewertet. So kam er nie auf eine der Listen des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag. 1992 wurde Perisić das Oberkommando der bosnisch-serbischen Streitkräfte angeboten. Er lehnte ab, weil er nicht in Bosnien geboren sei, verhalf aber seinem Kameraden Ratko Mladić zu diesem Posten.

In Belgrad wird gemunkelt, Perisić' Absetzung solle einem möglichen Putsch gegen das Regime zuvorkommen. Tatsache ist, daß seit Jahresbeginn alle potentiellen Gegner Milošević' und seiner Gattin, Mirjana Marković, kaltgestellt werden. Einer der mächtigsten Männer im Lande, der jugoslawische Geheimdienstchef Jovica Stanisić, wurde vor zwei Monaten gefeuert, weil er angeblich Mirjana Marković hatte abhören lassen.

Ähnlich erging es dem Vizepräsidenten der Milošević-Sozialisten und dem Chefredakteur der auflagestärksten regimetreuen Tageszeitung, Vecernje Novosti. Und stets stellt sich Montenegro hinter die in Belgrad in Ungnade gefallenen Personen. Die Frage ist nun, ob sich Perisić und Stanisić mit ihrem Schicksal abfinden oder gemeinsam versuchen, eine Front gegen das Regime aufbauen. Der Ex- Generalstabschef und der Ex-Geheimdienstchef haben den Ruf kämpferischer und in die Macht verliebter Männer. Andrej Ivanji